Das Mozart-Mysterium
Buch war nicht von derselben Person verfasst wie das Gesetz, zudem war es vor mehr als 15 Jahren gedruckt worden und damit noch vor der Gründung der Societät entstanden. Johann Christian Winter, der aufgrund der nötigen Kenntnisse für das Gesetz offensichtlich auch Mitglied der Societät war, muss es als Ersatz für ein eigenes, vielleicht nicht rechtzeitig fertiggestelltes Werk der Societät eingereicht haben. Das vorliegende Buch musste aber so bedeutend sein, dass es trotz alledem als Gabe akzeptiert wurde.
Mozarts blasse Miene erhellte sich. »Ich hab’s! Die Fibonacci-Sequenz ist die Lösung! Die Verschlüsselung ist Fibonaccis echter Name, Leonardo da Pisa oder auch Leonardo Pisano! Der Autor dieses Buches! Seine bedeutendste Entdeckung war das in der Natur vorkommende Prinzip einer ganz bestimmten Zahlenfolge, das seither auch Fibonacci-Sequenz genannt wird!«
Ich staunte, denn ich kannte weder das Prinzip noch Fibonacci selbst. Mozart erklärte daher weiter: »Es ist so: Die Fibonacci-Sequenz, also die Zahlen 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 usw., muss das Verschlüsselungsprinzip sein, auf das wir dieses Buch untersuchen müssen. Die jeweils letzten beiden Zahlen der Zahlenreihe müssen als Summe die jeweils nächste ergeben. Erst kürzlich veröffentlichte einer der brillantesten Wissenschaftler unserer Zeit, Danielo Bruno, eine Abhandlung darüber. Darin zeigte er vor allen Dingen einen erstaunlichen Zusammenhang auf: den Bezug der Fibonacci-Sequenz zu der Zahl Phi. Denn teilt man jede Zahl der Fibonacci-Sequenz durch die jeweils vorhergehende Zahl, so erhält man mit zunehmender Genauigkeit als Ergebnis 1,618, also Phi. Da Mizler, der bekanntlich ein Mathematikverehrer ist, diese Zahl bereits zuvor zur Verschlüsselung verwendet hat, muss die Fibonacci-Sequenz hier der Schlüssel sein!« Er nahm das Buch und blätterte darin. »Das nächste Versteck … Wie finde ich es? Ah! Hier auf der ersten Seite des Textes sind mit Rötelstift zwei Worte unterstrichen. David, wissen Sie, was das bedeutet?«
Ich ahnte, was er meinte.
»Vielleicht entsprechen die Zahlen der Sequenz den Nummern der Seiten, auf denen einzelne Worte gekennzeichnet sind, die dann zusammen den gesuchten Rätselspruch oder den Hinweis auf das nächste Versteck ergeben! Die ersten Zahlen der Sequenz sind 0, 1 und 1. Falls die Zahlen hier als Seitenangaben zu verstehen sind, fällt zunächst die Zahl 0 weg, da es keine Seite 0 gibt, dann erscheint die Seite 1 zweifach, also sind genau die zwei Worte gemeint, die auf dieser Seite rot unterstrichen sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auf jeder Seite, deren Seitenzahl in der Fibonacci-Sequenz erscheint, Worte markiert sind, die zusammen den Rätselspruch ergeben.«
Mozart war begeistert und blätterte weiter. »Seite 2 … ja, ein Wort ist unterstrichen! Seite 3… wieder ein Wort unterstrichen! Großartig! Seite 5, mal sehen … Ja! Auch hier! Schnell, David, holen Sie ein Blatt Papier und einen Stift!«
Ich durchsuchte meine Sachen, konnte aber nichts dergleichen finden, da ich wegen des Kellereinsturzes und der Räumung des Hauses nur einige Kleidungsstücke bei mir hatte und alles andere bis auf Weiteres dort verblieben war.
Mozart entschied daraufhin, Therese um Schreibunterlagen zu bitten. Sie konnte uns aushelfen und wir machten uns bei einem leichten Frühstück sogleich daran, einen weiteren Versuch zur Lösung des Rätsels zu unternehmen. Nebenbei berichteten wir Therese von den Ereignissen des letzten Abends und unseren neuen Erkenntnissen. Während wir das Essen hinunterschlangen, gingen wir zu dritt ans Werk.
Mozart notierte alle Worte, die auf den Seiten unterstrichen waren, deren Seitenzahlen in der Fibonacci-Sequenz enthalten waren. Da die Zahl 1 zweimal in der Sequenz erschien, waren auf dieser Seite zwei Worte unterstrichen, auf den anderen Seiten hingegen nur jeweils ein Wort oder einige Buchstaben eines Wortes.
Mozart las das Ergebnis, eine Folge von Worten und Wort-Bruchstücken in italienischer Sprache, vor: »La-col-lina-di-il-lumi-nati-la-que-rcia-grande.”
Alle der Anwesenden beherrschten die italienische Sprache, und so war es uns ein Leichtes, die Wortbruchstücke korrekt zusammenzufügen.
Mozart begann erneut: »Aha, so muss es lauten: ›La collina di illuminati, la quercia grande.‹ Auf deutsch: ›Der Hügel der Illuminaten, die große Eiche.‹ Dieser Hügel ist mir durchaus ein Begriff, er liegt im Park des Schlosses Aigen, etwa eine Stunde von
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