Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
Vom Netzwerk:
Liste erstellt mit den wichtigsten Informationen des Jahres 1980. Wie eine dunkle Wolke stieg die Erinnerung an diese Zeit auf. 1979 hatten Außen- und Verteidigungsminister der NATO den sogenannten Doppelbeschluss gefasst. Über hundert Raketen des Typs Pershing II und 464 Marschflugkörper Cruise Missiles sollten in der Bundesrepublik stationiert werden, um der Bedrohung durch sowjetische SS 20 entgegenzuwirken. Viele Westeuropäer und vor allem Deutsche zweifelten an dieser Strategie. Es gab mächtige Demonstrationen gegen die Stationierung dieser Atomraketen. Dengler war in dieser Zeit noch Bereitschaftspolizist, und mehr als einmal stand er in Bonn den Demonstranten gegenüber, die ihm lachend Blumen zusteckten. Er sah die schönen jungen Frauen gegen etwas demonstrieren, das ihmganz logisch erschien, und er erinnerte sich noch genau an die Mischung zwischen Unverständnis und Sehnsucht, mit der er sie damals betrachtete.
    Auch auf den großen Demonstrationen gegen die Startbahn West in Frankfurt war er im Einsatz. Und er stand in Reih und Glied während der Demonstrationen gegen das atomare Zwischenlager in Gorleben. Als er den Zeitungsartikel las, erinnerte er sich, wie er die Hütten bei der Räumung des Hüttendorfes Republik Freies Wendland niederriss. Es waren harte Zeiten für Bereitschaftspolizisten.
    1980 war ein Jahr großer Spannungen. Die Russen überfielen Afghanistan und gingen einer Niederlage entgegen, von der sie sich nicht mehr erholen sollten. In Polen gründete sich die unabhängige Gewerkschaft Solidarno´s´c , die wie ein Fanal den Untergang der Sowjetmacht auch auf der anderen Seite des Imperiums anzeigte. Aber noch standen sich die beiden Militärblöcke unversöhnlich gegenüber, und die Kriegsgefahr war allenthalben zu spüren.
    So lange her, dachte Dengler, so viel hat sich geändert.
    Auch innenpolitisch wurden 1980 die Weichen gestellt.
    Dengler blätterte in der Artikelsammlung, die Leopold zusammengetragen hatte. Es herrschte Wahlkampf. Ein sehr harter, zugespitzter Wahlkampf, wie Harder in einer kurzen Notiz schrieb, ganz auf die beiden Kandidaten ausgerichtet: Helmut Schmidt, der SPD-Kanzler, auf der einen Seite und der am äußersten rechten Rand operierende bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß für die CDU/CSU. Das Vaterland sei in Not und er sei der Retter, das sei die Botschaft gewesen, schrieb Harder weiter und fügte ein Strauß-Zitat aus dem Wahlkampf bei: »Sagen Sie den Menschen, dass diesmal um unser Schicksal gewürfelt wird. Sagen Sie ihnen, dass keiner sich dem Wellenschlag der Politik entziehen kann. Es gibt kein Glück im stillen Winkel mehr. Sagen Sie es den Verschlafenen, den Verdrossenen, Saumseligen, Lätscherten und Lapperten in diesem Land. Dieses Haus,meine Damen und Herren, gilt es heute so zu sichern, dass es gegen Sturm und Brand gefeit ist in den nächsten Jahren.«
    Leopold schrieb weiter: »Strauß sah sich als Retter in der Not, und dafür bedurfte er der Not.«
    In dieser Situation explodierte in München die Bombe, wenige Tage vor der Wahl.
    Dengler stand auf und öffnete leise die Tür zum Wohnzimmer. Leopold Harder lag auf dem Rücken auf der Couch. Die Bettdecke, die Dengler am Abend noch rausgesucht hatte, lag quer über ihm. Offensichtlich fror er an den Zehen, denn sie bewegten sich hin und her und schienen nach dem Zipfel der Decke zu suchen. Dengler deckte seinen Freund zu und ging zurück in die Küche.
    Er goss sich eine neue Tasse Espresso ein, füllte Milch nach und nahm sich wieder die Mappe mit Leopolds Presseartikeln vor.
    Einen Artikel aus dem Stern hatte er rot markiert. Der Reporter hatte das Zusammentreffen von Spitzenpolitikern am Tatort beschrieben.
    Dengler las: »Justizminister Vogel ist peinlich berührt vom Auftritt der CSU-Leute und ihres Gefolges. Der 21 Jahre alte Strauß-Sohn Max ergreift mehrmals großspurig das Wort und hält die Fachleute auf. Vogel: ›Ein wahrer konservativer Vater hätte gesagt ‚Halt doch mal den Mund’. Doch der Vater schweigt.‹ Franz Josef Strauß hält sich zurück, wie schon bei den Krisensitzungen nach der Schleyer-Entführung und bei der Entführung der Lufthansa-Maschine nach Mogadischu. Er lässt seine Leute reden, und die kümmern sich weniger um Tote und Verletzte als um den Wahlkampf. Finanzminister Streibl schneidet dem für die Münchener Feuerwehr zuständigen FDP-Stadtrat Manfred Brunner das Wort ab. Er schimpft: ›Die FDP ist mitverantwortlich für das, was hier

Weitere Kostenlose Bücher