Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
Vom Netzwerk:
sollte man nicht zu lange liegen lassen.«
    Sie tranken ihre Gläser aus, und Dengler füllte sie erneut.
    »Italienische Winzer sind ungeduldiger«, wiederholte Harder, »Franzosen sind traditioneller.«
    Sie tranken.
    »Schmeckt wie roter, geriebener, süßlicher Paprika«, sagte Harder und trank das Glas aus.
    »Ja. Nicht schlecht. Hat mir Olga geschenkt.«
    Dengler füllte nach.
    »Ich hätte Lust, mich heute zu betrinken«, sagte Harder.
    »Ich auch.«
    »Es lebe der Barolo-Rausch.«
    Sie tranken. Dengler schenkte nach.
    »Wann kommt Olga zurück?«
    »Ich weiß nicht.«
    Dengler trank sein Glas leer.
    »Ich hatte schon befürchtet, ihr heiratet bald.«
    »Danach sieht es gerade nicht aus.«
    »Das freut mich für dich. Denn weißt du, wie verheiratete Männer werden?«
    »Nein.«
    »Die gehen irgendwie aus dem Leim. Man sieht es ihnen an, als hätten sie eine Krankheit. Der Bauch, das Gesicht, alles wird irgendwie … umfänglicher.«
    »Mmh.«
    »Behäbiger. Langsamer. Der ganze Bewegungsablauf. Verstehst du, was ich meine?«
    Sie griffen zu den Gläsern.
    »Außerdem sind sie nach zwei, drei Jahren so geil, dass es nicht zum Aushalten ist.«
    »Geil?«
    »Ja. Samenstau wie ein Maschinenbaustudent.«
    Sie lachten und tranken.
    »Ich habe noch zwei Flaschen Brunello.«
    »Das ist eine gute Nachricht«, sagte Harder und nahm den Faden wieder auf.
    »Und dann fangen sie an, irgendetwas allein zu machen. Siewollen ihre Ruhe, ihr eigenes Zimmer, ihren eigenen Urlaub – und sind gleichzeitig so spitz wie …«
    »Nachbars Lumpi?«
    »Genau.«
    Sie stießen lachend an.
    »Und dann hängt die Frau ihm morgens die Klamotten hin. Weil er ja in ihren Augen keinen Geschmack hat. Anzug und Hemd auf dem Bügel. Krawatte über den Anzug gelegt. Und der Idiot zieht das dann auch brav an.«
    Dengler schmunzelte.
    »Und du meinst, ich war kurz davor, so zu werden«.
    Er stand auf und öffnete eine Flasche Brunello.
    »Dem gönnen wir aber jetzt keine Luft«, sagte Harder.
    Sie tranken.
    »Nicht schlecht, Herr Specht«, sagte Harder.
    »Und du hast die Ehe immer gemieden?«
    »Ja. Ich mag die Frauen, aber die Ehe …«
    Seine Aussprache wurde blumiger.
    »Weißt du, Georg, was das Schlimmste ist?«
    »Nö.«
    Er goss sich noch einmal nach.
    »Die Vertreibung aus der Küche, Georg, das ist das Schlimmste. Wenn man sich das Essen nicht mehr selbst zubereiten kann … Ich meine Essen, nicht irgendwelchen Schlamm oder Spiegeleier, ich meine richtiges, gut schmeckendes, gesundes … Wo ist eigentlich die Flasche?«
    »Hier«, sagte Dengler und füllte beide Gläser.
    »Die Vertreibung aus der Küche ist gleichzusetzen mit der Vertreibung aus …«
    »… dem Paradies.«
    »Genau. Männer, die nicht kochen können. Was sind das für arme kastrierte Tröpfe.«
    »Na, übertreib mal nicht.«
    »Weißt du, was das Einzige ist, das er in der Küche noch machen kann – in dieser Phase ehelichen Glücks?«
    »Keine Ahnung.«
    »Den Mülleimer runtertragen.«
    Sie lachten.
    Sie tranken.
    »Genau. Aber eines Tages, Georg, eines Tages …«
    Er hob sein Glas.
    »… eines Tages, Georg, ist es so weit. Die Tür der Kneipe öffnet sich, und da steht ein Mann. Seit vier Jahren war er nicht mehr da. Er sieht entsetzlich aus. Fahl. Blass. Alle Männer in der Kneipe drehen sich um und sehen ihn an. Alle wissen Bescheid. Keiner sagt etwas. Wir räumen einen Platz an der Theke. Der Wirt zapft ein Pils und gibt es ihm wortlos. Wir nehmen ihn in die Mitte. Wir laden ihn zu einer Runde Tischfußball ein, obwohl er wegen mangelnder Übung lausig schlecht geworden ist. Wir wollen nicht wissen, ob seine Frau ihn verlassen, betrogen, rausgeworfen hat. Wir reden nicht darüber. Unser Freund ist wieder zurück. Die harte Arbeit der Resozialisierung beginnt.«
    Dengler stand auf und ging zum Fenster. Nach einer Weile stellte sich Leopold Harder neben ihn. Sie standen nebeneinander und blickten hinunter auf die Stadt, auf die wenigen Menschen, die mit Regenschirmen und aufgestellten Kragen übers Pflaster eilten, den Kopf gesenkt, als hätten sie etwas verloren. Der Regen fiel nun dichter. Sie konnten die Pfützen vor dem Basta sehen.
    »Du kannst heute Nacht auf der Couch schlafen«, sagte Dengler.
    Er vermisste Olga.

Farnsworth House, 8. Juni 2009
    Trotz der Martinis stand Mike Denver am Morgen um sechs Uhr auf. Vom Hotelzimmer aus hatte er einen guten Blick auf den Chicago River. Dieses weiche Grün des Flusses, niemals hatte er ein ähnliches Grün

Weitere Kostenlose Bücher