Das München-Komplott
Verfassungsschutz arbeiteten. Sie dachten, sie wären für eine der Sicherheitsagenturen tätig, die Gisela Kleine gegründet hatte.
»Outsourcing! Sehr gut, sehr modern«, hatte der Präsident gesagt, als er ihr Konzept absegnete.
Und es wurden neue Techniken verwendet. Miniaturkameras mit Hightechzoom, die Filme sofort auf einen mitgeführten Laptop übertrugen, der sie wiederum sofort in das Rechenzentrum ihrer Abteilung überspielte.
Es hatte noch keinen Fall gegeben, bei der eine ihrer Observationen aufgeflogen war. Sie war ein Star in dieser Branche.
Umso mehr ärgerte sie sich, dass Leitner zum Leiter dieser Task Force ernannt worden war.
Wieder so ein Kerl der alten Lederjackenfraktion.
Sie war viel besser. Sie wusste es. Und der Beweis dafür war, dass Hans Leitner nicht merkte, dass er von ihr überwacht wurde.
Es war ein großes Aufgebot, das Leitner nun folgte. DiePersonen lösten sich rasch ab, und er merkte so wenig von der Überwachung wie andere.
Das Risiko war hoch. Immerhin überwachte sie einen Kollegen.
Illegal.
Nun gut: Sie überwachten auch eine Staatssekretärin.
Superillegal.
Doch sie wollte es wissen: Was für ein Geheimnis verbarg sich hinter Leitner? Irgendetwas wurde dort ausgebrütet.
Und vor ihr wurde dieser Plan geheim gehalten.
Nun, sie würde es herausfinden.
Kein Mann nur für eine Nacht
Glücklich und zerschlagen hatte sie sich gefühlt am Morgen. Übernächtigt und erfüllt.
Jan und Charlotte frühstückten im Speisesaal des Hotels, das einen Blick auf das träge Wasser des Neckars freigab. Die ersten Stocherkähne schleppten Touristen den Fluss hinauf und hinab.
Ich werde nicht fragen, ob wir uns wiedersehen, dachte sie. Das ist seine Sache. Wenn er nicht will, dann war’s das eben. Er ist zwar sehr jung, aber immerhin ein Mann.
Und diese Frage zu stellen, war eindeutig Männersache.
Sie sah zu ihm hinüber, wie er verlegen in einem Müsli stocherte, und ihr wurde ganz warm ums Herz.
»Sehen wir uns wieder?«, fragte sie leise.
Er sah sie überrascht an. Sein fast verzweifelter Blick rührte sie.
»Das wollte ich dich eben auch fragen. Magst du denn? Mich wiedersehen?«
»Sehr.«
»Ich bin kein Mann nur für eine Nacht.«
Sie lachten beide.
»Und ich muss jetzt los. Vorlesung.«
»Da war das Studentenleben zu meiner Zeit aber anders. So früh hätten wir nicht angefangen.«
Er hielt mitten in der Bewegung inne.
»Das hat uns deine Partei aber verdorben. Mit dem ganzen Bachelor- und Master-Scheiß.«
Sie schwieg. Über Politik wollte sie zuallerletzt mit ihm reden. Das würde vermintes Gebiet sein. Eine jähe Sehnsucht überkam sie.
Er sagte: »Gestern Abend, das war alles ernst gemeint?«
»Oh, was habe ich gesagt?«
»Dein Engagement für das NPD-Verbot. Erinnerst du dich noch?«
»Da war jedes Wort so gemeint, wie ich es ausgesprochen habe.«
Sie zögerte: »Und alles, was ich im Bett gesagt habe, auch.«
»Bekomme ich deine Handynummer?«
»Und ich deine?«
Sie tauschten die Nummern, als wäre es ein Verlobungsakt.
Auf die Frauen
Vor einigen Monaten war Mario umgezogen. In dem großen Haus in der Mozartstraße hatte er seine Kisten und Koffer gepackt und wohnte nun mit Anna, seiner Frau, im Hinterhof eines Hauses in der Reinsburgstraße. Wochenlang hatten sie gestrichen und gehämmert, Leitungen, Rohre und Böden neu verlegt, und mittlerweile war ihr Domizil fertig.Es umfasste nicht nur ihre Wohnung, sondern auch die ehemalige Werkstatt einer Gießerei, die sie nun als ihr Atelier benutzten oder für Veranstaltungen vermieteten.
Die beiden Künstler betrachteten ihre Wohnung nicht als Privatraum, sondern ebenfalls als Kunstwerk, als soziale Plastik, wie Mario sagte, in das Freunde ebenso einbezogen wurden wie die häufigen Gäste, die gern und gut in St. Amour speisten.
Im Augenblick bereiteten sie eine neue Ausstellung vor. »Alles nur Puppen« sollte sie heißen. Lebensgroße und völlig echt aussehende Puppen sollten wie Banker an Schreibtischen vor Bildschirmen sitzen, und eine sollte einen Platz hinter einem Rednerpult finden.
»Wir arbeiten daran, sie beweglich zu gestalten, zumindest teilweise, in ganz kleinen Nuancen«, sagte Mario und wies in Richtung Werkstatt, wo durch die Glastür die Silhouetten einiger Torsos zu erkennen waren. »Zur Ausstellungseröffnung soll es eine Choreografie geben, minimale Bewegungen, alles nur angedeutet, völlig reduzierte Gestik. Anna arbeitet an einer Art Marionettensystem, mit fast
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