Das München-Komplott
nicht wahrnehmen können.«
»Na, Sie haben Nerven. Einen Cappuccino trinke ich mit Ihnen.«
»Sie sind mir einen Gefallen schuldig.«
Die Kellner erschien. Leitner bestellte zwei Mittagsmenüs und eine Flasche Weißwein.
»Also wirklich, mehr als einen Cappuccino … Ich bin wirklich knapp in der Zeit. Also«, sagte der Bundesanwalt zu dem Kellner, »nur ein Menü.«
»Zwei«, sagte Leitner.
»Sehr wohl«, sagte der Kellner.
»Ich bin Ihnen einen Gefallen schuldig«, sagte Sundermann. »Aber heute kann ich ihn nicht einlösen.«
»Sie werden.«
Leitner klappte den Laptop auf.
Mit wenigen Mausklicks rief er ein Programm auf, das ein Video zeigte.
Er dreht den Rechner um, sodass der Bundesanwalt das Video sehen konnte.
»Mein Gott, wo haben Sie das denn her?«
»Soll ich den Ton anstellen?«
»Um Gottes willen nein, ich verstehe ja. Was wollen Sie von mir?«
»Sie wollen den Film nicht zu Ende sehen?«
»Bitte, machen Sie das Ding aus. Lassen Sie uns reden.«
»Ich wusste es.«
»Stellen Sie das ab! Ich muss telefonieren.«
Leitner nickte und stellte das Laptop-Programm ab.
Sundermann war aufgestanden und hatte sein Handy aus der Tasche gezogen. Er ging einige Schritte.
»Ja, ich kann heute leider nicht bei Ihnen sein. Ja, ganz schrecklich. Tut mir aufrichtig leid. Ja. Wirklich. Aber mein Beruf! Immer wieder neue Überraschungen und Pflichten. Nein, ich kann nicht darüber reden. Ja. Sicher. Wir holen das nach.«
Er klappte das Telefon zu und setzte sich wieder an den Tisch.
»Wo haben Sie das Video her?«
»Gefunden.«
»Gefunden? Na, sehr schön. Wirklich. Wollen Sie mich erpressen?«
»Nein.«
»Nein? Was wollen Sie dann?«
»Ich will es Ihnen schenken.«
»Mir? Das Video?«
»Ja.«
»Ohne dass Sie oder andere Kopien davon haben?«
»Ja.«
»Und warum soll ich Ihnen glauben?«
»Erstens, weil ich seriös bin, und zweitens, weil Sie keine andere Wahl haben.«
»Und Sie möchten, dass ich Ihnen einen Gefallen tue.«
»Ja.«
»Und was?«
»Sie werden anordnen, dass die Asservate im Fall des Attentats auf das Münchener Oktoberfest 1980 vernichtet werden – alle bis auf eines. Das geben Sie mir.«
»Sie meinen das nicht ernst?«
»Völlig ernst.«
»Soweit ich mich erinnere, ist der Prozess im Grunde nicht abgeschlossen. Der Anwalt der Opfer …«
Leitner klappte den Laptop auf.
»Mein Gott, machen Sie das Ding zu. Wie soll ich das machen? Sie stellen sich das einfach vor.«
»Es ist alles vorbereitet. Sie diktieren, was ich Ihnen aufgeschrieben habe.«
»Das ist ganz unmöglich. Ich kann die Asservate nicht vernichten in einem solchen Verfahren. Da gibt es noch einen Anwalt, der stellt immer noch Anträge, es ist …«
Leitner zeigte auf den Laptop.
»O. k. Ist schon gut. Geben Sie her.«
Leitner schob einen Schnellhefter über den Tisch.
»Achten Sie auf die Termine«, sagte er.
»Was?«
»Es muss schnell gehen. Achten Sie auf die vorgegebenen Termine.«
Der Kellner brachte den Cappuccino. Er legte Besteck und Servietten vor jeden der beiden Männer.
»Legen Sie wirklich Wert darauf, dass ich mit Ihnen esse?«
»Nein.«
»Gut, dann gehe ich jetzt.«
Leitner blickte ihn kalt an.
»Und Sie löschen den Film und alle Kopien.«
»Ja.«
»Versprochen.«
»Sicher.«
Das Video
Am späten Nachmittag hatte Gisela Kleine das Video erhalten.
Sie sah es mit Begeisterung.
Toll, einem Kollegen bei der Arbeit zuzusehen.
Wie der Leitner den Bundesanwalt weichkochte.
Von dem kann man wirklich noch was lernen, dachte sie.
Auch die Tonqualität war gut.
Was hat der Leitner mit der alten Sache zu tun?
Auf jeden Fall mehr, als sie wusste.
Der hing da mit drin.
Wahrscheinlich bis zur Halskrause.
Jetzt habe ich ihn, dachte sie. Ich habe ihn.
Sie rief im Büro des Präsidenten an.
»Ich brauche einen Termin«, sagte sie. »Sofort. Wir haben einen Sicherheitsfall.«
Heimfahrt
Die Zugverbindung war wirklich praktisch. Kaum mehr als zwei Stunden brauchte der ICE »Annette Kolb« von Karlsruhe nach Köln. Hans Leitner hatte den Laptop aufgeklappt. Das Lagezentrum sendete die neusten sicherheitsrelevanten Meldungen.
Der jährliche »Trauermarsch« von Neonazis in Bad Nenndorf wurde dank der Bevölkerung für die Rechten immer mehr zu einer Niederlage. Die Bürger der Stadt schmückten ihre Häuser mit »Nazis raus«-Transparenten, und in die Fenster gestellte Lautsprecher sorgten dafür, dass sie auf der gesamten Route von Klezmer-Musik begleitet wurden.
Der hessische
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