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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Innenminister Volker Bouffier hatte der Bild-Zeitung ein Interview gegeben, das nahezu alle anderen Medien übernahmen. Man müsse mit Geiselnahmen und Anschlägen von Islamisten rechnen, sagte er. Die Islamisten wollten den Bundestagswahlkampf beeinflussen. Der Staat »müsse auf alles vorbereitet sein«, sagte er.
    »Prima«, dachte Leitner, »die Propaganda läuft.«
    Bouffier legte aber noch nach: »Wir müssen jedes Szenario in Betracht ziehen und uns entsprechend vorbereiten. Es hat nichts mit Panikmache, aber sehr viel mit Vorsorge zu tun, wenn sich die Polizeien von Bund und Ländern auch auf die Möglichkeit einer Massen-Geiselnahme vorbereiten.«
    Leitner las weiter: GSG 9 und Sondereinsatzkommandos (SEK) der Länder würden bereits für den Fall vonMassengeiselnahmen trainieren. Deutschland stehe eindeutig im Fadenkreuz der Terroristen. Auf die Frage, wie hoch er die Gefahr eines Anschlags auch mit radioaktiv verseuchtem Material – einer sogenannten schmutzigen Bombe – einschätze, sagte Hessens Innenminister: »Es gibt eindeutige Erkenntnisse, dass Al-Qaida massiv Schaden anrichten will. Deshalb gilt auch hier: Nichts ausschließen, sondern auf alles vorbereitet sein.«
    Der CDU-Politiker sprach sich erneut für einen Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren aus. Bouffier bekräftigte die Forderung der Union nach klaren Regeln für gemeinsame Einsätze und Übungen von Polizei und Militär.
    Leitner schaltete den Rechner aus und lehnte sich zurück.
    Ich freue mich auf meine Pensionierung, dachte er.
    Dann schlief er ein.

Dengler verzweifelt
    Dengler setzte sich an den Schreibtisch und wartete.
    Das Field Manual ging ihm nicht aus dem Kopf.
    Wenn deutsche Polizisten systematisch vom US-Geheimdienst gekauft wurden, was bedeutete das – auch für ihn? Wem konnte er vertrauen?
    Wenn ein demokratischer Staat wie die Bundesrepublik selbst Anschläge und Terrorakte durchführen konnte, um politische Interessen durchzusetzen, was hieß das?
    Dengler merkte, dass etwas ins Schwanken kam, das ihm bisher durchs Leben geholfen und ihm Halt gegeben hatte. Hätte er es benennen müssen, hätte er es etwa so beschrieben: dass ein Polizist aufrecht und den Bürgern und dem Staat verpflichtet ist.
    Natürlich war er längst zu erfahren, um zu wissen, dass es immer wieder Ausnahmen gab, persönliches Versagen, Eitelkeiten, Schwäche, Gier, all das. Das war menschlich.
    Das aber war vor allem: die Ausnahme.
    Doch vielleicht war das die falsche Annahme. Womöglich war alles verlogen, und jeder konnte gekauft sein. Der Boden schwankt unter unseren Füßen, und wir merken es nicht, weil wir es gar nicht mehr anders kennen, dachte er. Oder weil wir es nicht sehen wollen. Weil wir von der Inszenierung auf der Vorderbühne annehmen, dass hier das wirkliche Leben zu sehen ist. Weil wir die schmutzige Hinterbühne nicht beachten, wo in Wirklichkeit die Fäden gezogen werden.
    Er fühlte sich allein, so einsam, so bedroht, so sterblich, wie er sich noch niemals zuvor gefühlt hatte.

    Martin Klein kam ihm in den Kopf. Er musste ihn dringend warnen. Wo steckte er? Er ging hinunter ins Basta. Da war er nicht. Er fand ihn ein paar Ecken weiter, in Roccos Trattoria. Martin und Betty saßen vor vollen Weingläsern. Klein fuchtelte mit den Händen in der Luft und erzählte irgendetwas. Sein Gesicht war gerötet. Betty hörte ihm zu und lachte.
    Dengler kam langsam auf die beiden zu.
    »Martin, ich muss kurz mit dir reden.«
    »Jetzt?«
    »Ja. Es ist wichtig.«
    Klein stand auf. Dengler winkte ihn ins Freie.
    »Lass uns ein paar Schritte gehen.« – »Martin, du hast doch das Dokument der Amerikaner gelesen und …«
    »Ja. Ist das nicht unglaublich? Ich habe nie gedacht …«
    »Hast du irgendjemandem davon erzählt?«
    »Nein, hab ich nicht. Wieso …«
    »Es ist gefährlich. Das muss dir doch klar sein. Du bringstjeden in Lebensgefahr, dem du es erzählst. Und dich und mich dazu.«
    »Du übertreibst.«
    »Nein. Hör zu, ich bitte dich ein zweites Mal – jetzt, nachdem ich weiß, um was es geht, noch dringender: Versprich mir, dass du zu niemandem darüber sprichst. Nicht zu Betty, nicht zu Mario, nicht zu Leopold. Es gibt kein Papier mehr. Ich habe es vernichtet.«
    »Du meinst es ernst.«
    »Absolut.«
    »Ich verspreche es.«

    Dengler ging zurück in seine Wohnung. Er wusste nicht mehr weiter.
    Es war normal, dass er bei einem Fall in eine Sackgasse geriet.
    Es war normal, dass eine Spur sich als falsch erwies.
    Es war

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