Das Multiversum 1 Zeit
Diese Strahlen, die von den Polen ausgehen, sind vielleicht Plasma, das sich am Magnetfeld der Scheibe ausrichtet oder das Loch selbst. Wie ein Miniatur-Quasar.« Er runzelte die Stirn. »Aber das ist verschwenderisch. Es ist kaum zu glauben, dass sie nicht imstande sind, diese Strahlungs-energie zu nutzen. Vielleicht senden sie aber auch Signale aus …«
»Verschwenderisch?« blaffte Malenfant. »Wovon reden Sie eigentlich, Cornelius. Verschwenderisch für wen?«
»Die Unterlaufbewohner natürlich«, sagte Cornelius. »Die Bewohner dieser Zeit. Erkennen Sie sie denn nicht? Schauen Sie auf diese kleineren Satelliten-Löcher. Beachten Sie die einheitliche Größe und die regelmäßigen Abstände …«
»Soll das heißen, dieses Arrangement Schwarzer Löcher sei künstlich«, sagte Emma.
»Natürlich ist es das. Ich vermute, dass sie die kleineren Löcher benutzen, um den Materiefluss ins zentrale Loch zu steuern. Sie müssen jeden Aspekt dieser Konfiguration regeln: die Größe der Satelliten-Löcher und die Geschwindigkeit, mit der sie sich dem zentralen Kern nähern. Ich glaube, die Unterlaufbewohner gewinnen Energie aus dem Schwarzen Loch im galaktischen Kern.«
»Wie das?«
Er zuckte die Achseln. »Es gäbe eine ganze Reihe von Möglichkeiten, auf die sogar wir kommen könnten. Wenn man zwei Schwarze Löcher miteinander verschmilzt, bekommt man ein einziges größeres Loch mit einem Ereignishorizont, der wie eine Glo-cke hallt – aber es entsteht auch eine enorme Gravitationsenergie.
Die Energie eines rotierenden Lochs ist zum größten Teil in einem großen tornadoartigen Wirbel aus Raum und Zeit gespeichert, der durch die enorme Trägheit des Lochs entsteht. Man könnte diese Energie anzapfen, indem man das Loch mit einem Netz aus supraleitenden Drähten umspannt. Dann könnte man den Tornado-Wirbel in ein Magnetfeld hüllen und in einen gigantischen Gene-302
rator verwandeln. Oder man wirft einfach Materie ins Zentralloch und speichert die Strahlung, die beim Zerquetschen der Materie entsteht… Es gibt sicher noch bessere Methoden. Sie hatten schließlich genug Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen.«
»Wie lang?«
Cornelius tippte auf die Softscreen. »Eine Schätzung auf der Grundlage der Natur dieses Schwarzen Lochs? Zehn hoch vierundzwanzig Jahre: eine Billion mal eine Billion Jahre. Zehn Milliarden mal so alt wie die letzten Bilder, die wir aus der Zeit der Sternen-Farmer gesehen haben.«
»Mein Gott«, sagte Malenfant. »Eine lange Zeit.«
»Bedenken Sie den Vergrößerungsfaktor«, sagte Cornelius unwirsch. »Wir haben wieder den Maßstab verkleinert. Das Universum muss sich im Vergleich zu unsrer Zeit um … hmm … den Faktor zehn Trillionen ausgedehnt haben. Verglichen mit dem Alter des galaktischen Überrests, den wir hier sehen, war die Evolution unsres Universums so kurz und unbedeutend wie die ersten drei Stunden nach dem Urknall für uns …«
»Trotzdem gibt es noch Leben«, sagte Emma.
»Die Sheena«, sagte Malenfant.
Der goldene Ball rollte über die Oberfläche; die Leinen schimmerten im Scheinwerferlicht des Feuerkäfers. Im Innern war deutlich ein Cephalopode zu erkennen, der neugierig umherschwamm.
Die Kamera vollführte einen Schwenk über die Landschaft von Cruithne, als der Feuerkäfer wendete und der Sheena folgte.
»Sie geht zum Portal zurück«, sagte Malenfant. »Sie macht weiter.«
Irgendetwas zog sich im tiefsten Innern von Emma zusammen.
Nicht schon wieder, sagte sie sich.
»Vielleicht ist es eine Art morbider Neugier«, sagte Cornelius trocken. »Die sie immer weiter treibt, bis ans Ende aller Dinge.«
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»Nein«, widersprach Emma. »Sie haben sie selbst gesehen. Sie ist nicht morbide.«
»Was dann?«
»Es hat den Anschein, dass sie etwas sucht. Aber was? Je mehr ich von diesem zukünftigen Universum sehe, desto mehr erscheint es mir …«
»Sinnlos?« fragte Malenfant.
Sie war erstaunt, das ausgerechnet von ihm zu hören. »Ja, genau.«
Widersprüchliche Gefühlsregungen spiegelten sich in seinem Gesicht. Das macht ihm zu schaffen, sagte sie sich, diese kalte, logische Abwicklung seiner Träume. Malenfant macht sich für eine expansive Zukunft der Menschheit stark: Überleben bis in die ferne Zukunft. Hier werden deine Träume Wirklichkeit, Malenfant.
Und es ist ein entsetzlicher und erschreckender Beweis: dass wir, um zu überleben, unsre Menschlichkeit aufgeben müssen.
Cornelius zuckte die Achseln. »Sinnlos? Was für eine triviale
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