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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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über die zerklüftete Oberfläche des Asteroiden und strahlte ihn mit dem schwächer werdenden Scheinwerfer an.
    Emma hätte es nicht für möglich gehalten, dass der Boden von Cruithne noch älter aussehen könne als zuvor. Aber es war so: Die Kraterwände und Höhenrücken verschwanden beinahe unter einer dicken Staubschicht. Emma sah, wie der Feuerkäfer mit den Felshaken und Leinen große Wolken aufwirbelte.
    Die drei schauten stumm zu, niedergedrückt vom Gewicht der Zeit.
    »Wie lang, Cornelius?« fragte Malenfant mit heiserer Stimme.
    Cornelius studierte die Daten. »Ich weiß nicht. Die Hintergrundtemperatur ist zu niedrig, um sie zu messen. Und…«
    Und es dämmerte auf dem Cruithne am Ende der Zeit.
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    Emma stockte der Atem. Der Anblick war ebenso unerwartet wie schön: ein sonnenartiger Punkt aus gelbweißem Licht. Das Licht stieg ruckartig, während der Feuerkäfer sich in seine Richtung bewegte. Schatten flohen von den glatten erodierten Kraterwänden und Bodenerhebungen über die konturenlose Landschaft wie kno-chige Finger, die sich ausstreckten. Es war so hell, dass Emma die Wärme zu spüren glaubte, und sie fragte sich, ob diese lange Reise durch die Zeit sich zu einem Kreis geschlossen haben könnte und sie in die Dämmerung der Zeit zurückführte, zur Geburt des Sonnensystems.
    Aber sie erkannte schnell, dass es kein Sonnenaufgang war.
    Ein heller Punkt wurde von einer schrägen, rot glühenden Scheibe umgeben, in der sie ein enges spiralförmiges Muster ausmachte.
    Und von den Polen dieser Leuchterscheinung schienen haarfeine Linien aus Licht auszugehen. Weiter draußen sah sie Scheiben und Knoten aus dunkelroter Materie, die viel kleiner waren als das große helle Kern-Objekt. Sie sah, dass das zentrale Licht Schatten auf den umgebenden Raum warf; Schatten, die – falls es sich um ein Objekt im galaktischen Maßstab handelte – eine Länge von tausenden von Lichtjahren haben mussten.
    Es mutete seltsam schön an, eine Skulptur aus Licht und blutro-tem Rauch. Aber es war eine kalte und unmenschliche Schönheit, selbst im Vergleich zur letzten unheimlichen galaktischen Vision; es gab hier nichts, das ihr vertraut erschien, nichts, das wie ein Stern aussah.
    »Unsre Galaxis?« fragte Malenfant.
    Cornelius studierte seine Daten. »Vielleicht. Falls sie es ist, dann ist sie aber stark geschrumpft. Ich sehe nun auch Objekte, die von der Scheibe losgelöst sind. Über den ganzen Himmel sind nieder-frequente Infrarot-Quellen verteilt. Stellare Überreste, glaube ich.«
    »Wie Sie schon sagten«, erwiderte Malenfant grimmig. »Aufgelö-
    ste. Stimmt's?«
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    »Ja.« Cornelius studierte den Bildschirm. »Ich würde sagen, schätzungsweise neunzig Prozent der Objekte in der Galaxis haben sich aufgelöst, und vielleicht zehn Prozent konzentrieren sich im Kern-Objekt.«
    »Im Schwarzen Loch. Das ist es, was wir sehen.«
    »Ja. Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, Malenfant, und unsre Schritte werden immer länger. Diese Prozesse sind langsam. «
    Emma hörte kaum zu.
    Die Kamera schwenkte von der hellen Struktur des Schwarzen Lochs zum Boden des Asteroiden und dann zum unendlichen schwarzen Himmel.
    »Keine Spur von Sheena«, murmelte sie. »Vielleicht sind die Portale nicht exakt in Reihe geschaltet. Vielleicht ist sie woanders rausgekommen und außerhalb unsrer Reichweite …«
    Malenfant drückte sie kurz. »Emma, sie befindet sich außerhalb unsrer Reichweite, seit sie zum ersten Mal durch dieses Portal ge-hüpft ist. Ob wir sie sehen oder nicht, ist völlig egal.«
    »Aber mir ist es nicht egal. Weil wir dafür verantwortlich sind, dass sie dort draußen verschollen ist.«
    »Ja«, sagte er nach einer Weile.
    Sie verstummten, suchten aber weiterhin die Nähe des jeweils anderen. Emma fand Trost in Malenfants menschlicher Wärme, seiner körperlichen Präsenz, dem Hauch seines Atems auf ihrem Gesicht. Es schien die endlose Dunkelheit der Zukunft auszublenden.
    Cornelius betrachtete derweil das Bild und befragte die intelligenten Systeme. Er stellte Spekulationen an, entwarf Theorien und steigerte sich förmlich in die Sache hinein.
    »… Das Licht, das wir sehen, kommt von dieser zentralen Akkretionsscheibe, wo Materie ins Schwarze Loch fällt und absorbiert wird. Sie hat eine ungeheure Helligkeit und wahrscheinlich mehr Energie als die gesamte Fusionsenergie aller Sterne der Galaxis in ihren besten Zeiten. Das Loch selbst hat wahrscheinlich einen 301
    Durchmesser von ein paar Lichtmonaten.

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