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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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verzerrte Scheibe, die in einem trüben Licht erschien. Vielleicht war die Polarisation in den Nacht-Modus geschaltet worden.
    Künstliche Lichter flammten auf und erfüllten die Kuppel mit einem kalten fluoreszenten Glühen, das in einem starken Kontrast zur lebendigen grünen Wärme stand, die eben noch vorgeherrscht hatte.
    Der deutsche Soldat berührte Maura am Ellbogen. Sie hörte eine Lautsprecherstimme, die wie ein Insekt in seinem Ohr zirpte. »Wir müssen Sie von hier wegbringen, Ma'am.« Er zog an ihr, sachte, aber bestimmt und trennte sie von Anna; Maura ließ es in ihrer Verwirrung geschehen.
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    Und Maura sah, dass er den Oberarm des Mädchens mit seinen Wurstfingern umklammerte. Anna krümmte sich vor Schmerz.
    Aber der Soldat drückte den zierlichen Körper des Mädchens an den Kampfanzug.
    Ein hässlicher Verdacht keimte in Maura auf; eine Nebenhand-lung näherte sich hier der Auflösung. »Lassen Sie sie los.«
    Der Soldat grinste nur. Er tippte auf eine Schaltfläche an der Brust und forderte vielleicht Verstärkung an. »Ma'am, das hier betrifft Sie nicht. Der Bus wartet draußen, um Sie zurückzubringen.«
    »Ich werde nicht zulassen, dass Sie ihr etwas antun.«
    Er starrte sie nur an und hielt das zappelnde Mädchen in seinem Griff.
    Maura stemmte sich gegen den Boden und hieb ihm mit aller Kraft an den Kopf.
    »Au … Scheiße, Gott …« Er presste die Hand ans blutende Ohr und ließ das Mädchen los.
    »Lauf, Anna!«
    Das Mädchen rannte übers verdunkelte, graugrüne Gras auf die Mitte der Kuppel zu. Maura sah eine verängstigte Giraffe über die Miniatur-Savanne laufen.
    »Ma'am.«
    Sie drehte sich um. Der Deutsche stand vor ihr. Er rammte ihr die Faust in den Bauch.
    Sie krümmte sich vor Schmerz, wobei sie das Gefühl hatte, als ob ihr die Eingeweide gegen das Rückgrat gedrückt würden. Vielleicht stimmte das sogar. Sie schlang die Arme um den Bauch und fiel in der schwachen Schwerkraft des Monds langsam ins Gras.
    Wenigstens war Anna in Sicherheit.
    Plötzlich ertönte eine Sirene und erfüllte mit ihrem lauten, durchdringenden Blöken die ganze Kuppel. Die Dinge trieben dem Höhepunkt zu.
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    Sie sah den Deutschen. Er schaute Anna nach. »Verdammte Scheiße«, sagte er frustriert.
    Er trat auf Maura zu. Sie sah einen Schemen aus Leder und Olivgrün, der auf sie zuschoss. Ein stechender Schmerz flammte durch ihr rechtes Knie, und sie heulte auf. Dann rannte er zum Ausgang.
    ■
    Ihre Welt bestand nur noch aus Schmerz, aus sonst nichts. Sie hing zwischen zwei Polen des Schmerzes, dem Bauch und dem zer-schmetterten Knie, als ob man ihr eine Lanze durch den Körper gejagt hätte. Sie vermochte sich nicht zu bewegen. Sie musste sich sogar aufs Atmen konzentrieren; wenn sie sich auch nur einen Zentimeter bewegte, schwoll der Schmerz an und ließ nicht wieder nach.
    Die Sirene schien noch lauter zu werden. Und nun geisterten Lichter übers Kuppeldach, große, im Wechsel schwarze und weiße Bänder, die auf die Ausgänge zurasten. Die Lichtmuster waren fast schön in ihrer geometrischen Präzision. Ihre Botschaft war unmissverständlich, doch Maura war zur Bewegungsunfähigkeit verurteilt.
    Sie schloss die Augen und sehnte sich nach dem Vergessen der Bewusstlosigkeit. Aber sie wurde nicht ohnmächtig.
    Einen schönen Galilei hättest du abgegeben, Maura.
    Das Licht schien zu verblassen, sogar der Schmerz – wenn er schon nicht ganz verschwand, so rückte er doch wenigstens in weite Ferne.
    Sie schaute in sich hinein und spürte den vertrauten Fluss der Zeit: die Entstehung multipler Universen, die in ihrer Seele sich 608
    spiegelte. Doch bald würde der Fluss der Zeit für sie abbrechen.
    Was für ein Gefühl wäre das?
    … Plötzlich ereignete sich etwas. Hände, kleine Hände an ihren Schultern und Beinen, an den Füßen und am Kopf. Sie versuchte die Augen zu fokussieren. Ein Gesicht verschwamm vor ihr. Annas? Sie versuchte zu sprechen, zu widersprechen. Aber die Stimme versagte.
    Dann hoben sie sie auf – unbeholfen, wie es Kindern zu eigen ist –, und ein unerträglicher Schmerz schoss durchs Bein.
    Sie wurde übers Gras getragen. Sie war noch immer auf dem Mond, und durch die niedrige Gravitation vermochten die Kinder sie schnell zu transportieren. Trotzdem sandte jeder Ruck neue quälende Schmerzwellen durch Bauch und Bein.
    Sie schaute zur Kuppel auf. Sie war nun transparent und zeigte ihr eine lodernde Sonne und eine blaue Erde.
    Sie gelangten zu einem Glaszaun. Ein Abschnitt

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