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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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neue Nachricht, ein paar Zeilen von sich selbst, die ihm sagten, was er tun und wie er sich fühlen sollte.
    Aber da war nichts.
    Was würde er sich überhaupt sagen, wenn er die Möglichkeit hätte?
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    Lass dich nicht hängen, sagte er sich. Mach dir keine Gedanken über Dinge, die du sowieso nicht ändern kannst. Geh erst mal duschen.
    Mit einem Seufzer schälte er sich aus dem Anzug. Zuerst Stiefel und Handschuhe, dann die Reißverschlüsse. Er warf den Anzug mitten im Zimmer auf den Boden.
    Cruithne-Staub und Flocken versengten Gewebes – das vom vielfachen Urknall angebrannt war, um Gottes willen – rieselten auf den schönen purpurnen Teppich.
    Als er zum Hautanzug kam, wurde es richtig unangenehm. Der Gestank des entblößten Körpers traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Er hatte schließlich tagelang im Anzug gesteckt. Der Anzug klebte teilweise am Leib, und als er ihn abzulösen versuchte, stellte er fest, dass Hautfetzen und Schorf sich mit ablösten. An manchen Stellen fand er Male von Ödemen und geplatzten Blutgefä-
    ßen.
    Er hob die Einzelteile des ramponierten, versifften Anzugs auf, legte sie zusammen und stopfte sie in den Schrank. Er versuchte das Bettlaken zu säubern, mit dem Erfolg, dass er den aggressiven Cruithne-Staub nur noch tiefer ins Gewebe rieb.
    Er gab es auf und ging unter die Dusche.
    Es handelte sich um eine Art Hochdruckreiniger. Zuerst schmerzte das Wasser auf der lädierten Haut, aber er biss die Zäh-ne zusammen und wusch die Wunden aus. Er stand für eine Weile unter der Brause und sah, wie schwarzer Staub aus dem Haar und von der Haut gespült wurde und im Abfluss verschwand. Er ließ das Wasser laufen, bis er sauber war und die Haut nur noch von den blutigen Stellen verunstaltet wurde. Aber er hatte den Schmutz von Cruithne noch unter den Fingernägeln und sogar in den Fingerspitzen; es würde wohl eine lange Zeit dauern, bis er den Dreck wieder los wurde – falls überhaupt.
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    Dann benutzte er Shampoo und Seife, die in Flaschen und Schachteln in einem Körbchen arrangiert waren. Die Artikel trugen weder eine Herstellerbezeichnung noch einen Hotelnamen.
    Es gab aber weder einen Badezimmerschrank noch sonst eine Örtlichkeit, wo er eventuell sein Krebsmedikament gefunden hätte.
    Vielleicht würde er auch nicht so lang hierbleiben, dass das eine Rolle spielte.
    Die Dusche war wirklich eine Wohltat. Er fühlte sich wie neuge-boren.
    … Emma.
    Er versuchte seine Gefühlslage zu prüfen, suchte nach Bedauern, einem Gefühl des Verlusts. Und wurde nicht fündig. Und nun wollte er sich das verdammte Haar waschen.
    Wenn man dich rekonstruiert hat, Malenfant, dann hat man sich aber nicht die Zeit genommen, dich auch mit einer Seele aus-zustatten.
    Als er in einen flauschigen weißen Bademantel (ohne Mo-nogramm oder Etikett) gehüllt aus der Dusche kam, war die Schmutzspur, die er auf dem Teppich hinterlassen hatte, verschwunden. Und nicht nur das, ein frisches Hemd und Hose sowie Socken und Leder-Slipper waren ordentlich bereitgelegt worden. Netter Zug, sagte er sich; so viel Unwirklichkeit vermochte er noch zu ertragen.
    Er ging im Raum umher. Die Minibar fand er unter einem Schreibtisch in der Nähe des Fernsehgeräts. Auf dem Tisch lagen ein Schreibblock und Kugelschreiber. Auf dem Papier war kein Briefkopf. Die Minibar war nicht verschlossen, was definitiv ein Ausweis für Unwirklichkeit war. Die Flaschen, Dosen und Päckchen wirkten zwar echt, waren aber auch nicht etikettiert.
    Er nahm sich etwas, das wie eine kleine Whiskyflasche aussah, öffnete den Schraubverschluss und kippte sich den Flascheninhalt in einem Zug hinter die Binde. Das Zeug war ein richtiger Ra-616
    chenputzer. Er war vielleicht eine Computer-Simulation, die eine andere schluckte, aber das Gefühl war authentisch genug, und er genoss die Wärme, die in Brust und Kopf sich ausbreitete.
    Er griff zur nächsten Flasche, überlegte es sich dann aber anders.
    Vielleicht war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sich den Kopf zuzuschütten.
    Falls das überhaupt möglich war. Falls sie – wer auch immer ihn rekonstruiert hatte – das zuließen. Er fragte sich, ob sie es zulassen würden, dass er sich etwas antat. Was, wenn er eine Flasche zerbrach und sich die Pulsadern aufschlitzte? Oder …
    Es klopfte an der Tür. Er schreckte auf und ließ das Fläschchen fallen. Er stand auf, überprüfte, ob der Bademantel ihn auch vollständig einhüllte (wieso, Malenfant? Dieser Anblick ist doch sicher nichts Neues

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