Das Multiversum 1 Zeit
danach sehnte, sie wiederzuhaben, es ihr zu sagen.
Er erinnerte sich, dass er alles gewollt hatte: seine Beziehung zu Emma, ihr Schmerz zu ersparen, seine glorreiche Zukunftsvision.
Und er hatte nichts davon erreicht.
Die Änderung war vollzogen, die Zeitlinien neu verwoben. Aber er hatte einen hohen Preis bezahlt, bei Gott.
Malenfant drehte den Kopf, fokussierte mit der neu erworbenen Zoom-Fähigkeit die Augen, und da schwebte, wie seit altersher, der Mond neben der Erde. Die schöne, dem Untergang geweihte Erde.
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»Scheiße«, sagte er. »Das ist das Ende der Welt. Und ich denke nur an mich selbst.«
Was sonst gibt es noch?
»… Die Bewohner am Unterlauf – sind sie Götter?«
Nein. Sie sind Menschen.
»Das ist schwer zu glauben.«
Aber die menschliche Rasse ist sehr alt. Sie würden dich gar nicht erkennen.
»Wieso nicht?«
Weil deine Zeit sehr fremdartig war. Sie war eigentlich noch Teil des Urknalls, des Nachglühens. Hell.
»Wie sind sie?«
Sie sind anders. So verschieden wie du und ich. Mehr noch. Aber eins haben sie gemeinsam. Sie sind die Menschen, die beschlossen haben, weiter-zuleben.
»Es gab auch welche, die den Tod vorgezogen haben? Wieso denn?«
Weil es Probleme mit dem Substrat gibt. Es hat keine infinite Größe.
Kein Computer vermag die Beschränkungen zu überwinden, die von der Bekenstein-Grenze gesetzt werden.
»Der was?«
Es ist schwierig, mit dir zu sprechen, wenn du nichts weißt.
»Tut mir Leid.«
Das Unschärfeprinzip. Das kennst du. Wegen des UnschärfePrinzips vermag ein gegebener Betrag an Masse und Energie nur eine finite Anzahl von Quantenzuständen einzunehmen. Also wird die Anzahl der erreichbaren Zustände nach oben durch die Anzahl der Zustände begrenzt, die vom ganzen Universum erreichbar sind, falls seine gesamte Masse und Energie in Information umgewandelt würden – was aber nicht geschehen ist. Die Anzahl beträgt zehn hoch zehn hoch hundertdreiundzwanzig …
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»Zehn hoch zehn hoch hundertdreiundzwanzig. Mein lieber Mann. Und das ist die Anzahl der möglichen Gedanken in diesem Computer. Ist es das, was du mir damit sagen willst?«
Ja! Das Substrat ist eine finite Zustandsmaschine. Sie vermag nur eine bestimmte Anzahl von Zuständen einzunehmen und arbeitet in diskreten Zeitintervallen. Eine finite Zustandsmaschine muss nach einer entsprechend langen Zeit in einen periodischen Zustand übergehen. Das heißt…
»Sie leben dasselbe Leben«, sagte Malenfant. »Denken sogar dieselben Gedanken. Immer wieder. Mein Gott, was für ein Schicksal.« Wie Autismus, sagte er sich. »Wieso?«
Das Kind seufzte. Das war die einzige Möglichkeit für das Bewusstsein, den Hitzetod zu überleben.
Die immer gleichen Gedanken, die wie Fürze in einem Raumanzug zirkulierten. Was für ein Schicksal, das Ende aller Hoffnung, welcher Schlusspunkt aller Universen, die sich unter Schmerzen bis zu dem Punkt entwickelt hatten, an dem sie Leben und Bewusstsein hervorzubringen vermochten, die ungezählten Jahre des Überlebenskampfs in diesem Universum … Welches Ende meiner grandiosen Projekte, sagte er sich.
Aber Cornelius wäre hellauf begeistert gewesen. Geistige Gesundheit, ewige Kontrolle, keine Veränderung. Nur ein endloser Zyklus des Immergleichen.
Michael betrachtete ihn. Du verstehst.
»Ich verstehe was?«
Weshalb das … Feynman-Projekt initiiert wurde.
»Die Portale? Die Botschaften flussaufwärts?«
Manche glauben, dass es nicht so enden sollte. Dass das Leben, die Menschheit, eine andere Bestimmung hatte.
»Du willst damit sagen, wir hätten eine Bestimmung?«
O ja. Die Menschen sind die wichtigsten empfindungsfähigen Geschöpfe, die jemals existiert haben und jemals existieren werden.
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Malenfant lief es kalt den Rücken hinunter. Gottverdammt, ich habe mein Leben lang darauf gewartet, das von jemandem zu hö-
ren. Und wo ich es nun gehört habe, erschreckt es mich.
»Dann haben diese Unterlaufbewohner also rückwärts in der Zeit ausgegriffen, Dinge verändert und eine neue Zeitlinie erzeugt, in der …«
Michael runzelte die Stirn. Deine Sprache gleicht einem Rauschen.
Aber du liegst eher richtig als falsch, ja, so kann man das sagen. Aber so etwas wie Zeitlinien gibt es nicht. Es gibt eine universale Wellenfunktion, die ein Bündel von Pfaden bestimmt…
»Ich habe das alles schon einmal gehört und damals schon nicht verstanden … Die Erde. Wissen sie, was geschehen wird?«
Die Menschen haben … hmm … ihren Frieden gemacht,
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