Das Multiversum 2 Raum
Ruhe.«
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Malenfant hatte Schwierigkeiten einzuschlafen. Er fühlte sich krank, und manchmal wurde er von Angst überwältigt.
Er hatte einen Blick auf ein Sattelpunkt-Tor erhascht, das tief in dieser afrikanischen Hügellandschaft vergraben war. Dorthin ging die ganze Energie. Und dieser Fallwind war Luft gewesen, die durchs Tor strich, ein Leck im Gefüge der Welt.
Er fühlte sich vom Tor angezogen wie von einem Schwerefeld.
Ich will das nicht, sagte er sich. Ich wollte einfach nur nach Hause. Aber ich habe mich selbst hierher gebracht. Ich hatte mich dafür entschieden, zu diesem Ort zu gehen und habe gewühlt, bis ich das gefunden habe, den Mittelpunkt von allem. Ein Weg zu-rück ins Spiel. Genauso wie Nemoto.
515
Ein Weg, der Bestimmung gerecht zu werden, die die Gaijin ihm zugedacht zu haben schienen.
Ich kann das nicht tun. Nicht schon wieder. Ich will nur meine Ruhe haben. Ich muss diesen Weg nicht gehen und mich auf irgendetwas einlassen.
Aber die Logik seines Lebens schien das Gegenteil zu sagen.
Verschont mich damit, sagte er sich; und er wünschte sich, dass er an einen Gott glaubte, der seine Gebete erhörte.
■
Malenfant wurde unsanft geweckt. Sein Bett wackelte. Er riss die Augen auf und sog warme afrikanische Luft ein. Für eine Sekunde wähnte er sich im Orbit: Ein Druckabfall im Shuttle-Orbiter durch einen Mikrometeoriten, der das Fenster Nummer Zwei durchschlagen hatte …
Er war allein in der Hütte, und das Grasdach war intakt. Er schlug die Decke zurück und versuchte aufzustehen.
Der Boden schwankte erneut, und ein tiefes unterirdisches Stöhnen ertönte, ein Knirschen hochbeanspruchten Gesteins. Ein Erdbeben?
Durch die Fensterhöhlen der Hütte fiel ein neues Licht. Er sah ein amorphes rot-weißes Leuchten, das in einer Lohe über den Dä-
chern von Rubaga eruptierte. Grashütten gingen in Flammen auf, als glühende Erde zurückfiel und die leicht entzündlichen Bauwer-ke traf. Er hörte Schreie und das Patschen bloßer rennender Füße.
Malenfant erkannte sofort, dass die Flammensäule im Herzen der Stadt emporschoss – sie entsprang dem Loch von Kimera, der Grube mit dieser monströsen Maschine.
De Bonneville. Er musste es sein. Irgendwie hatte er seine vage Drohung wahrgemacht.
516
Das Beben ebbte ab, und Malenfant hatte wieder festen Boden unter den Füßen. Er streifte den Biokomposit-Overall über und trat aus der Hütte.
Rubagas gesamte Bevölkerung schien auf den engen Straßen unterwegs zu sein: Höflinge, Bauern, Kurtisanen und Häuptlinge liefen panisch durcheinander. Die großen Tore des Schilfrohrzauns, der die Stadt umgab, waren aufgestoßen worden, und Malenfant sah, dass auch die breiten Avenuen mit Leuten überfüllt waren, die aufs Land flohen.
Malenfant ging durch die Stadt zum Zentrum des Plateaus. Er musste sich einen Weg durch die panischen Waganda-Horden bahnen, die wie Schemen an ihm vorbeistoben.
Als er die freie Fläche auf dem Hügel erreicht hatte, sah er, dass Mtesas großer Graspalast in Flammen stand.
Malenfant betrat die Zentralebene und ließ die brennenden Hütten hinter sich. Erleichtert betrat er die Notzone; zum ersten Mal seit ein paar Minuten vermochte er wieder durchzuatmen.
Das Feuer Kimeras schlug vor Malenfant aus der Erde, eine gro-
ße, zornige und tödliche Flamme. Am Rand der Ebene sah er den Schein von Rubagas brennenden Hütten. Großer Gott: Er befand sich mitten in einem kleinen Tschernobyl. Und der Gedanke, dass es niemanden hier gab, niemanden, der wusste, was hier vorging und Krisenmanagement betrieb, jagte ihm eine höllische Angst ein.
Er ging mit schweren Beinen weiter. Die Hitze brandete gegen Oberkörper und Gesicht an, und die verbrühten Hände juckten.
Der Feuerschein blendete ihn schier. Er vermochte nicht näher heranzukommen und ging um die Feuersäule herum. Er stolperte immer wieder, und die Augen waren wund und ausgetrocknet.
Ich bin verdammt zu alt für so was, sagte er sich.
517
Dann sah er etwas auf dem Boden liegen, das wie ein totes Tier aussah. Malenfant trotzte dem Feuer, schützte den Kopf mit den Armen und ging näher heran.
Es war de Bonneville. Er lag mit dem Gesicht im Staub von Rubaga. Malenfant sah an den Spuren im Staub, dass er sich von der Grube entfernt hatte, bis er nicht mehr gehen konnte. Dann war er gekrochen, und zuletzt hatte er sich mit den zerstörten Fingerspitzen über den Boden gezogen.
Malenfant kniete nieder und schob die Arme unter dem verkrümmten Torso
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