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Das Multiversum 2 Raum

Das Multiversum 2 Raum

Titel: Das Multiversum 2 Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Ihr Zögern, diesen Schritt zu machen – obwohl Sie sich selbst hierher gebracht hatten, in den Mittelpunkt aller Dinge. Ich habe gesehen, dass Sie es nicht über sich brachten, den letzten Schritt zu tun.«
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    »Dann haben Sie mir also einen Schubs gegeben. Wieso, um Gottes willen? Wieso tun Sie das?«
    »Nicht um Gottes willen, sondern wegen der Geschichte. Schauen Sie sich um, Malenfant. Schauen Sie die Fremdartigkeit dieser zukünftigen Erde. Das Erscheinen Außerirdischer hat den Lauf der Geschichte gewiss verändert – und diese explodierenden Sterne am Himmel künden von noch größeren Verwerfungen. Aber kein Mensch hat jemals die Kräfte der Geschichte, des Klimas und der Geologie beherrscht, die eine Welt formen; und nur ein paar von uns sind überhaupt Zeuge solcher Veränderungen geworden.«
    »Wenn niemand von uns die Geschichte zu verändern vermag, töten Sie mich für nichts.«
    »Ach.« Sie lächelte. »Einzelne Menschen haben aber schon die Geschichte verändert, Malenfant – nicht auf die Art und Weise, wie ich es versucht habe, mit Plänen und Projekten –, sondern indem sie durchs Feuer gegangen sind und sich selbst geopfert haben. Verstehen Sie. Und das ist Ihr Schicksal.«
    »Sie sind ein Ungeheuer, Nemoto. Sie spielen mit Menschenleben. An der Seite dieses Steinzeit-Despoten sind Sie gut aufgehoben.«
    Sie hob die knochige Hand und wischte sich blutigen Speichel vom Kinn, ohne darauf zu reagieren.
    Er wurde von Angst und Zorn zugleich überwältigt. »Nemoto.
    Verschonen Sie mich!«
    Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange; ihre Lippen waren trocken wie Herbstlaub, und er roch Blut in ihrem Atem.
    »Leben Sie wohl, Malenfant.«
    Der Strick um seinen Hals straffte sich, und er wurde abgeführt.
    ■
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    Der Rest der Geschichte entfaltete sich mit unerbittlicher Logik.
    Als verurteilter Häftling hatte Malenfant keine Wahl und auch keinen eigenen Willen mehr; am besten fügte er sich in sein Los, versuchte sich mit der Situation zu arrangieren und die Angst von sich abfallen zu lassen.
    Er wurde tatsächlich milde behandelt. Man erlaubte ihm, noch einmal zu seiner Hütte zu gehen. Er nahm die EMU mit, den alten Druckanzug.
    Dann wurde er an den Rand der Notzone geführt.
    Dort wartete eine kleine Gruppe: Wachen mit zwei weiteren Gefangenen, zwei jungen Frauen. Sie waren bis auf einen Lendenschurz nackt und hatten die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Die Gefangenen erwiderten trübe seinen Blick. Malenfant sah, dass beide so heftig geschlagen worden waren, dass die Rü-
    cken blutige Striemen hatten.
    Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, sagte Malenfant sich, um das zu erleben: Einen Marsch in die Hölle mit zwei Verdammten.
    Wieder stieg er die primitive Wendeltreppe hinab.
    Bald waren sie so tief, dass der Himmel über dem Eingang des Schachts zu einer münzgroßen blauen Scheibe geschrumpft war.
    Das einzige Licht wurde von Schilffackeln gespendet, die in unregelmäßigen Abständen platziert waren. Die grob behauenen Trep-penstufen waren so hoch, dass sie den Abstieg zusätzlich erschwer-ten. Malenfant war heiß, und die Beine schmerzten ihm.
    Im Widerschein der Fackeln sah er die vor Angst angespannten Gesichter der Häftlinge.
    Sie kamen an zwei großen, in die Felswand getriebenen Ausgängen vorbei, die sich im zylindrischen Schacht gegenüberlagen. Die Luft aus diesen Ausgängen war nicht ganz so stickig wie sonst überall. Vielleicht führten sie zu den großen Avenuen aus dem 522
    Osten und Westen, die er von draußen bemerkt hatte und die als Tunnels in den Hügel führten.
    Hundert Meter tiefer sprudelte Wasser aus kunstvoll geformten tönernen Brunnen an der Wand. Das Wasser wurde von einem spiralförmigen Kanal aufgenommen, der sich parallel zur Treppe durch den Schacht zog. Die Brunnen sprudelten immer stärker, je tiefer sie kamen – Wasserdruck, sagte Malenfant sich –, und bald waren die spiraligen Kanäle mit einer sprudelnden, schäumenden Flüssigkeit gefüllt, die die stickige Luft der Grube befeuchtete.
    Aber die Brunnen und Kanäle waren durch Feuer stark beschädigt worden; durch die notdürftig zugeschmierten Risse sickerte ständig Wasser.
    Die Hitze machte ihm zu schaffen, und ihm war schwindlig; vielleicht eine Auswirkung der Dosis, die er abbekommen hatte. Er bückte sich über einen Kanal, um mit den Händen Wasser zu schöpfen. Eine dunkle knochige Hand schoss aus der Dunkelheit und stieß ihn weg. Es war eine der Gefangenen, deren

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