Das Multiversum 2 Raum
konnten das.
Vor allem, wenn Sicherheit kein Thema war.
»Es ist der Hauch, der Sie krank macht«, sagte er.
»Das stimmt.«
»Wieso nicht die anderen? Wieso nicht Mtesa selbst?«
»Der Hauch wird von der ein paar hundert Meter dicken Gesteinsschicht zurückgehalten, unter der die Maschine sich befindet.
Trotzdem ist der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung schlecht, auch wenn darüber nicht gesprochen wird. Und es gibt strenge Vorschriften, die Produkte der Maschine zu meiden – man darf zum Beispiel nicht das Wasser trinken, das im Uranoxid zir-kuliert hat.«
Malenfant erinnerte sich daran, dass Nemoto ihn davor gewarnt hatte, die Hände in Mtesas Springbrunnen zu halten. Er verspürte nun auch ein Jucken auf der verbrühten Haut.
Verdammt, sagte er sich. Ich muss eine Dosis abbekommen haben.
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De Bonneville fuchtelte mit den verkrümmten Händen. »Die Maschine ist offensichtlich sehr alt, Malenfant. Die Legende der Waganda besagt, sie sei von einem alten König konstruiert worden, siebzehn Generationen vor unsrem ruhmreichen Mtesa. Ich habe den Eindruck, dass die Waganda die primitive Anlage nicht auf der Grundlage gesicherten Wissens zu kontrollieren gelernt haben, wie wir es getan hätten, sondern durch Versuch und Irrtum über Generationen hinweg. Versuch und Irrtum im großen Maß-
stab – was den Verlust von Menschenleben betrifft, meine ich.« Er wurde müde und verlor das Interesse an diesem Thema. »Ich will Ihnen von Mazuri erzählen …«
»Sie haben die Lieblingsfrau des Königs gevögelt, Sie Blöd-mann.«
»Ich wollte sie abservieren, als ich Rubaga verließ, um Sie zu empfangen. Als ich von pombe und der Jagd berauscht zurückkehrte, war sie aber wieder da … Ah, Malenfant, diese Augen, diese Haut, dieser Mund …«
Man hatte ihn dabei erwischt. Mtesas Zorn war fürchterlich gewesen. De Bonneville hatte seine Stellung bei Hof verloren. Die Lords des Strangs hatten ihn mit großer Freude an einem Strick um den Hals aus dem Palast gezerrt und fünfzig Hiebe mit einem Stock versetzt – eine harte Strafe, nach der er dauerhaft hinkte.
Und dann hatten sie ihn in die niederste Stellung in der Gesellschaft von Rubaga verbannt: Zur Arbeit in den Uranoxid- Maschinen, die tief im Hügel vergraben waren.
De Bonneville packte Malenfant mit seinen ruinierten, klauen-artigen Händen am Arm. »Das war eine Falle, Malenfant. Man schafft sich schnell Feinde an einem Ort wie diesem! Und ich …
ich hatte schon immer zur Unbesonnenheit geneigt, wenn es um Frauen ging. Ich bin in die Falle getappt und vernichtet worden!
Und wo ich Sie nun sehe, einen Reisenden, werde ich mir wieder 511
bewusst, worum diese Wilden aus der Zukunft mich betrogen haben. Aber …«
»Ja?«
Die blauen Augen leuchteten in der geschwärzten Gesichts-Ruine. »Aber de Bonneville wird seine Rache genießen, Malenfant. O
ja! Seine Entschlossenheit ist unerschütterlich …«
■
Er stellte Nemoto zur Rede.
»Nemoto, Sie wissen über die Maschine Bescheid, nicht wahr? Sie ist ein Atommeiler. Ein beschissener Atomreaktor.«
Nemoto zuckte die Achseln. »Es ist ein radioaktiver Dreckhau-fen. Vielleicht hundert Tonnen Uranoxid – ›yellow-cake‹ – mit verbrannten Baumstämmen, die als Graphitmoderatoren verwendet werden. Es war ein geologischer Zufall: Uranoxid füllt diesen hoh-len Berg aus, und ein natürlicher Wasserlauf fließt über den Reaktor und kühlt ihn …«
Natürliche Atomreaktoren waren an verschiedenen Orten auf dem Planeten entstanden, wo die entsprechenden geologischen Bedingungen vorgeherrscht hatten. Benötigt wurden Uranoxid in einer gewissen Konzentration und eine Art Moderator. Die Funktion des Moderators bestand darin, die Neutronen zu verlangsamen, die schweren Teilchen, die von zerfallenden Uranatomen ausgesandt wurden. Ein abgebremstes Neutron traf dann auf einen weiteren Atomkern und bewirkte dessen Zerfall, und die Neutronen aus diesem Ereignis lösten wiederum einen Zerfall aus – in einer Kaskade zerfallender Kerne, die von den Physikern als Kettenreaktion bezeichnet wurde.
In Rubagas Berg war durch die stete Wirkung des Wassers über Milliarden Jahre Uran aus dem Gestein gewaschen worden und 512
hatte sich auf dem Grund eines flachen Meers abgelagert. Das Uran war von Sand überlagert worden, tektonische Kräfte hatten das Gestein verdichtet und angehoben, und das Uran war durch die langsame Oxidation des umgebenden Gesteins weiter konzentriert worden. So waren
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