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Das Multiversum 2 Raum

Das Multiversum 2 Raum

Titel: Das Multiversum 2 Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sind wir denn schon, ein paar Millionen, die in Städten und Far-men über den Mond verteilt sind. Was sind wir im Vergleich zu den Milliarden, die in den besten Jahren die Erde bevölkert hatten?
    Wieso lebe ich jetzt und nicht damals? Es ist so unbegreiflich …« Er 576
    drehte den großen Mond-Kopf. »Hast du jemals das Gefühl gehabt, in der falschen Zeit geboren zu sein, als ob du in der Zeit gestrandet wärst, ein unbewusster Zeitreisender?«
    Sie hätte ihm das zu bestätigen vermocht, sagte aber nichts.
    »Angenommen, ein moderner Mensch – oder jemand aus der hohen Blütezeit der Erde – wäre im sechzehnten Jahrhundert, in Leonardos Zeit gestrandet. Angenommen, er hätte alles über seine Kultur und Wissenschaft vergessen …«
    »Aber wieso? Und wie?«
    »Ich weiß es nicht … Wenn es aber wahr wäre – und wenn in seinem gelöschten Bewusstsein noch ein winziger Rest des Wissens vorhanden gewesen wäre, das er verloren hatte –, würde er dann nicht genau das tun, was Leonardo getan hatte? Eifrig studieren, versuchen, neue Fakten mit den vorhandenen, unbefriedigenden Paradigmen zu vereinbaren, nach den tieferen Wahrheiten suchen, die er verloren hatte? Verstehst du? Leonardo verhielt sich genauso, wie ein gestrandeter Zeitreisender sich verhalten würde.«
    »Aha.«
    Sie glaubte zu verstehen; aber sie verstand natürlich nichts. Und gedankenlos, wie sie war, hob sie zu einem ausführlichen Diskurs über das Gefühl der Entfremdung an: Dass jeder Heranwachsende irgendwann einmal das Gefühl hätte, in einem fremden Körper, einer Erwachsenen-Kultur gestrandet zu sein …
    Berge hörte gar nicht zu. Er wandte sich ab und blickte in die aufgeblähte Sonne.
    »Ich glaube«, sagte sie, »du solltest noch etwas Suppe trinken.«
    Aber er brauchte keine Suppe mehr.
    ■
    577
    Der Tag schien allzu schnell vergangen zu sein, und die Kälte ergriff wieder vom Land Besitz. Neue Eisschollen bildeten sich am Rand des Tycho-Meers.
    Xenia informierte Berges Freunde, Lehrer und alle, die ihn gekannt hatten.
    Sie klammerte sich ans höhere Ziel: Dass die Gold-, Nickel-und Zinkatome, die in Berges Blut und Knochen gespeichert waren und ihn wie die Senfpflanzen von Maginus getötet hatten – die sie früher oder später alle töten würden –, sich in noch höheren Kon-zentrationen in den Körpern der Nachkommen ablagern würden.
    Wenn der geringe Gold-und Nickelanteil, der Berge das Leben ge-kostet hatte, irgendwann gefördert wurde, würde er vielleicht den Kreis schließen, der die ersten Keramik-Schiffe aus der kippenden Atmosphäre des Monds hinaustrug.
    Vielleicht. Das war ein schwacher Trost.
    Fürs Erste löffelten sie in feierlicher Stille die Suppe aus Berges aufgelösten Knochen und Fleisch. Sie nahmen das einzige Geschenk seines Lebens, erhöhten die Konzentration des Metalls für die Zukunft und verkürzten zugleich ihr Leben, wie er es getan hatte.
    Sie war nie eine gute Gastgeberin gewesen. Die jungen Leute waren schnell wieder verschwunden. Sie unterhielt sich mit Berges Lehrern, aber sie hatten sich wenig zu sagen; sie war schließlich nur seine Großmutter. Sie war auch nicht böse drum, als sie wieder allein war.
    Als sie schlafen ging – sie ging, ehe die aufgeblähte Sonne noch hinterm zerklüfteten Horizont verschwunden war –, hatte der Wind gedreht. Die warme Luft hatte es eilig, der untergehenden Sonne zu folgen. Bald rieselte der erste Schnee auf die schwarze Oberfläche des Tycho-Meers.
    Die Robben glitten zurück ins Wasser, den Verheißungen und Gefahren entgegen, die unterm Mondkern-Eis auf sie warteten.
    578

kapitel 29
SCHLECHTE NACHRICHTEN
    VON DEN STERNEN
    Als Madeleine Meacher ins Sonnensystem zurückkehrte – nur ein paar Momente, nachdem sie den Schmerz der letzten Sattelpunkt-Transition verspürt hatte –, fiel sie aus allen Wolken: Nemoto materialisierte in der Mitte ihres kleinen Wohnmoduls.
    »Nemoto – Sie? Was …? Wie …?«
    Nemoto war klein und gebückt, ihr Gesicht eine finstere Maske.
    Das war natürlich eine virtuelle Abbildung, noch dazu eine schlechte; Nemoto schwebte leicht schief in der Luft.
    Nemoto ließ den Blick schweifen, als ob sie nicht damit gerechnet hätte, gerade hier aufzutauchen. »Meacher. Sie sind es. Welches Jahr haben wir?«
    Madeleine musste einen Blick auf den Kalender werfen. Es ist das Jahr 3793.
    Nemoto lachte hohl. »Wie absurd.«
    Es gab keine wahrnehmbare Zeitverzögerung. Das bedeutete, dass der Sender in der Nähe sein musste. Aber

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