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Das Multiversum 2 Raum

Das Multiversum 2 Raum

Titel: Das Multiversum 2 Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sich mit einem Anflug der alten, latenten Schuld. Aber meine Mutter ist nicht hier. Ich bin hier.
    Nemoto forderte sie nüchtern auf, nach Mustern Ausschau zu halten. »Sie sind kein Tourist. Blicken Sie hinter die Kulissen, Carole. Was sehen Sie?«
    Was Carole sah, waren Spalten und Krater.
    Spalten: Der Boden war mit Graten und Spalten überzogen, von denen manche sich über ein paar hundert Kilometer erstreckten.
    Als ob der ganze Planet eine Frucht sei, deren Schale in der Sonne aufgeplatzt war.
    Und Krater: Sie waren überall, Hunderte an der Zahl, die gleichmäßig über die Oberfläche des ganzen Planeten verteilt waren.
    »… Gewalt sehen Sie«, sagte Nemoto. »Globale Gewalt. Diese Risse im Tiefland sind genauso wie die Spalten in den Terrassen des Hochlands ein Beweis dafür, dass die gesamte Lithosphäre, die äu-
    ßere Kruste des Planeten, gestreckt und gestaucht wurde – und zwar zur selben Zeit. Wodurch könnte so etwas bewirkt werden?
    Und was die Krater betrifft, so gibt es hier kaum Erosion durch Wind, Carole. Am Boden dieses riesigen Meers aus Luft ist es fast windstill, sodass die Krater noch so unberührt sind wie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Es gibt nur wenige kleine Krater, weil die dicke Luft die kleinen Eindringlinge herausfiltert und zerstört, ehe sie den Boden erreichen. Allerdings gibt es auch nur wenige große Krater, von denen noch dazu keiner mit den riesigen Kratern auf dem Mond zu vergleichen ist. Diese großen Mondkrater datieren aus der Frühzeit des Sonnensystems, als der Himmel noch voll großer planetarer Irrläufer war. Und daraus können wir nun den Schluss ziehen …«
    »… dass diese Krater alle jung sind«, sagte Carole.
    »… dass kein Krater viel älter als achthundert Millionen Jahre ist«, sagte Nemoto, die Caroles Antwort noch gar nicht gehört haben konnte. »Überhaupt scheint gar kein Oberflächenmerkmal 224
    dieses Planeten älter zu sein. Achthundert Millionen Jahre: Das mag Ihnen wie ein gewaltiger Zeitraum erscheinen, aber die Planeten sind fünfmal so alt. Carole, vor achthundert Millionen Jahren ist etwas mit der Venus passiert – etwas hat die gesamte Oberfläche entstellt, alle älteren Merkmale ausradiert und ein vier Milliarden Jahre altes geologisches Vermächtnis ausgelöscht. Wir werden nie erfahren, was verloren ging, welche Kontinente und Meere brutal zerstört wurden …«
    Achthundert Millionen Jahre, sagte Carole sich. Das gleiche Alter wie die Mond-Artefakte. Das war der Bezug, den Nemoto herstellte. Sie bekam eine Gänsehaut.
    Was war vor achthundert Millionen Jahren mit der Venus geschehen?
    Sie tauchte in die lange Nacht des Planeten ein. Aber das erlöste sie auch nicht von der brütenden Hitze, weil die große Luftmasse die Wärme so effektiv verteilte. Um Mitternacht war es gerade einmal ein paar Grad kälter als mittags.
    Sie erfuhr, dass Nemotos automatisierte Sonden Leben auf der Venus gefunden hatten, diesem sonnendurchglühten stillen Planeten.
    Das heißt, Spuren von Leben.
    Wie die hitzeliebenden Mikroben in den unterseeischen Quellen der Erde waren das Kreaturen gewesen, die einst in einem warmen salzigen Ozean geschwommen waren. Carole erfuhr auch, dass menschliche Wissenschaftler schon lange damit gerechnet hatten, hier Leben zu finden: Organismen, die durch die katastrophale Er-wärmung des Planeten umgekommen sein mussten und ihr Ent-wicklungspotential verloren hatten. Es war nichts mehr übrig au-
    ßer mikroskopischen Fossilien im ältesten Gestein …
    Der Himmel verdunkelte sich, wobei er kaleidoskopartig die Palette der Rottöne durchlief. Nachdem die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie immer noch Licht – jedoch 225
    kein Sternenlicht, denn das vermochte die dicke Wolkendecke nicht zu durchdringen. Der Boden selbst leuchtete: Sie erkannte Spalten, Grate und Vulkankrater, die sich aus der Dunkelheit schälten.
    Auf der Venus war das Gestein selbst nachts noch so heiß, dass es glühte.
    Aber diese trübe Beleuchtung wirkte nicht etwa unheimlich. Sie glaubte vielmehr über einem Märchenland dahinzuschweben, einem Land an der Schwelle zur Unwirklichkeit. Die Umkehr der Perspektive – Dunkelheit oben, Licht unten – mutete überaus seltsam an.
    Als sie den Terminator erreichte, fand eine langsame und un-merkliche Veränderung statt, an deren Ende der Boden noch immer glühte und der Himmel wieder leuchtete. Die Welt war wieder im Lot.
    Nemoto wies sie an, sich auf die Landung vorzubereiten, wobei

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