Das Multiversum 3 Ursprung
das Lebendigste in Schattens Welt; alles andere war verschwommen, kaum gegenständlicher als ihr Atem.
Im Alter von elf Jahren war Schatten neunzig Zentimeter groß.
Sie hatte lange Beine, schmale Hüften, lange grazile Arme, einen schlanken Rumpf, schmale Schultern und einen schlanken Hals.
Sie ging aufrecht. Aber sie hatte leichte X-Beine, ihr Gang war unbeholfen, aber mit den langen starken Armen vermochte sie die höchsten Bäume zu erklimmen. Der Brustkorb war hoch angesetzt und konisch, und der kleine Kopf wurde vom Mund mit den 65
roten Lippen dominiert. Ihr Körper mit der rosig-schwarzen Haut wurde von einem dichten schwarzen Pelz überwuchert.
Ihre Augen waren klar, rehbraun, neugierig.
Vor ein paar Tagen hatten bei Schatten zum erstenmal die Men-struationsblutungen eingesetzt. Ein paar Männer und Jungen hatten das gerochen und ihr nachgestellt. Auch jetzt wurde sie noch von einer Horde Jungen begleitet, die ihr mit ungeschickten Fingern und leuchtenden Augen durchs Fell strichen. Aber Schatten begehrte keinen von ihnen, und wenn sie gar zu aufdringlich wurden, flüchtete sie sich zu ihrer Mutter, die dann drohend knurrte.
Termite war selbst von einer Gruppe aufmerksamer Männer und heranwachsender Jungen umgeben, von denen manche eine Erektion hatten. Termite ließ die zärtlichen Spiele mit den Fingern zu.
Obwohl sie alt wurde und schon silberne Strähnen im Pelz hatte, war Termite noch immer die beliebteste Frau in der Gruppe, zumindest was die Männer betraf. Durch das ständige Kämmen hatte sie an Kopf und Schultern schon ein paar kahle Stellen; auf dem kleinen Schädel hatte sie fast gar keine Haare mehr, so dass die schwarzen Ohren markant hervortraten.
Diese Freizügigkeit machte sie zu einer der mächtigsten Frauen.
Genauso wie die schwächeren Männer um die Gunst vom Großen Boss buhlten, waren die Frauen bestrebt, Termites Freundinnen zu werden. Schatten, Tolpatsch und sogar Klaue genossen als Termites Kinder Privilegien, die sich aus dieser Machtposition ergaben.
Und das war wirkliche Macht, die einzige Macht, auch wenn die Frauen die Schläge und Bisse der starken Männer erdulden mussten. Jeder kannte seine Mutter und seine Geschwister, und denen gegenüber war man auch loyal; seinen Vater kannte niemand. Kein Mann, nicht einmal der Große Boss, hätte seinen Status ohne die Rückendeckung einer mächtigen Mutter und von Tanten erlangt.
Schließlich war es an der Zeit, weiter zu ziehen. Der kleine Boss – der Bruder vom Großen Boss und zugleich sein engster Vertrau-66
ter – übernahm die Führung und marschierte bergab in Richtung des Flusses. Er blieb immer wieder stehen und vergewisserte sich nervös, dass der Große Boss ihm auch folgte.
Die Leute stellten die Körperpflege ein und trotteten hinter ihnen her.
Die Elfen-Leute betraten einen dichteren Abschnitt des Walds. Es war ein heißer Tag und drückend schwül in der Vegetation. Die Leute kamen gut voran, und wenn die Ranken und Sträucher gar zu undurchdringlich wurden, schwangen sie sich mit kräftigen Armen auf die Bäume. Sie bewegten sich langsam und nutzten jede Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme.
Auch in den dichtesten Abschnitten war der Wald ziemlich licht.
Viele Blätter an den Bäumen waren gelb, verschrumpelt und mickrig, und von den Bäumen selbst waren ein paar tot, nicht mehr als dürre Stümpfe mit abgebrochenen Ästen an den Wurzeln. Es war viel Platz zwischen den mächtigen Bäumen, und durch die Lücken im Blätterdach drang das Sonnenlicht bis auf den Boden und er-möglichte das schnelle Wachstum von Schösslingen und Büschen.
Schatten folgte dem Beispiel der anderen und mied größere Lichtungen. Obwohl die langen, schlanken Beine sie leicht über den Boden trugen, zog das dunkle Grün des Walds sie an, während der blauweiße offene Himmel und das grünbraune Unterholz sie abstießen.
Sie erreichten eine Ansammlung kleiner Büsche.
Termite setzte Tolpatsch auf den Boden. Dieser Busch war Termite wohlbekannt, und ihr geübtes Auge hatte gesehen, dass ein paar Blätter sich zu Röhren zusammengerollt hatten, die mit klebrigen Fäden verschnürt waren. Als Schatten eine solche Röhre öffnete, wurde sie mit einer sich windenden Raupe belohnt, die sie sofort in den Mund steckte.
Die drei setzten sich auf den Boden und genossen die Delikates-se.
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Tolpatsch schmiegte sich an ihre Mutter und suchte nach der Brust. Sachte schob Termite das Kind weg. Zuerst wimmerte Tolpatsch, doch dann schlug
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