Das Multiversum 3 Ursprung
Skepsis bezüglich seiner Missionspläne und erwartungsvollem Staunen darüber, was er dort oben vielleicht finden würde, tastete Della sich zu einer Entscheidung vor. Die beste Taktik für ihn bestand darin, mit offenen Karten zu spielen.
Nemoto hatte ungerührt zugehört. Nun beugte sie sich nach vorn. »Frau Vizepräsidentin. Sie möchten, dass dieser Dr. Corneille an dieser Mission teilnimmt.«
Aha, sagte Malenfant sich. Nun kommen wir zum Kuhhandel.
Della lehnte sich im Schwingsessel zurück und verschränkte die Hände auf dem Bauch. »Nun, bei Apollo sind auch Geologen mit zum Mond geflogen.«
»Ein Geologe«, sagte Malenfant. »Und das auch erst nach jahre-langen Querelen. Und Jack Schmitt wurde für die Mission ausgebildet; das heißt, er hat dafür gesorgt. Soweit ich weiß, gibt es aber keine Paläoanthropologen im Astronauten-Büro.«
»Wäre noch Platz für einen Passagier?«
Malenfant schüttelte den Kopf. »Sie kennen doch unsre Riss-zeichnungen.«
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Della tippte auf die Tischplatte und rief Computergrafiken von Trägerraketen und Raumflugzeugen auf. »Sie schlagen vor, eine Trägerrakete aus Space Shuttle-Komponenten zu bauen.«
»Richtig, unser Saturn V-Ersatz.«
»Und Sie wollen womit in die Atmosphäre des Roten Monds eintauchen?«
»Mit einer X-38. Das ist ein Lifting Body, ein Flugkörper ohne Tragflächen, das auf der Raumstation verwendete Rettungsboot für die Besatzung. Wir werden es so umrüsten, dass wir auf dem dreitägigen Flug darin überleben können. Auf der Oberfläche werden wir dann an ein Paket kleiner Düsen und Booster andocken, das separat hoch geschickt wird. Der ganze Missionsentwurf ist um ei-ne zweiköpfige Besatzung zentriert. Frau Vizepräsidentin, wir haben einfach keinen Platz für eine dritte Person.«
»Nicht auf dem Hinflug«, sagte Della gleichmütig. »Zwei hin, drei zurück. Ist das nicht Ihre Parole, Malenfant?«
»Das ist die grundlegende Konzeption, Ma'am. Und diese beiden, die hinfliegen, müssen Astronauten sein. Der beste Wissenschaftler der Welt nützt uns nichts auf dem Roten Mond, wenn er tot ist.«
»Mit dem gleichen Argument wollte man die Wissenschaftler von Apollo fernhalten«, sagte Della.
»Aber es ist nach wie vor gültig.«
»Die Realität sieht so aus«, sagte Nemoto kalt, »dass ich diese Mission fliegen muss, weil die Finanzierung durch die Japaner davon abhängt. Und Malenfant muss die Mission fliegen …«
»Weil die amerikanische Öffentlichkeit wünscht, dass er fliegt«, seufzte Della. »Sie haben natürlich recht. Falls diese Mission genehmigt wird, dann werdet ihr traurigen Gestalten sie fliegen.«
Falls. Malenfant spürte einen Anflug von Hoffnung.
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Nemoto schien unruhig zu werden. »Frau Vizepräsidentin, wir müssen das tun. Dürfte ich mal …« Sie beugte sich vor und rollte ihre Softscreen auf Dellas Schreibtisch aus.
Della beobachtete sie mit unbewegter Miene. Malenfant hatte keine Ahnung, wohin das führen sollte.
»Es gibt Indizien, dass ähnliche Ereignisse schon in der frühen Menschheitsgeschichte stattgefunden haben. Indizien, die tief in unsrer Geschichte und in Mythen verankert sind. Betrachten wir die Geschichte von Hesekiel aus dem Alten Testament: Und wenn die Gestalten gingen, so gingen auch die Räder mit, und wenn die Gestalten sich von der Erde empor hoben, so hoben die Räder sich auch empor.
Oder nehmen wir eine Legende aus dem alten Persien, über ein Tier, mit Verstand begabt, das mit Menschen zu sprechen pflegte, doch keine Nahrung zu sich nahm … und er vermittelte ihnen Einsicht in Buch-staben und Wissenschaften und die Künste …«
Scheiße, sagte Malenfant sich.
Della verzog keine Miene. »Dann rechtfertigen Sie damit also eine Milliarden-Dollar-Weltraummission? Mit biblischen UFOs?«
»Ich bin der Ansicht«, sagte Nemoto, »dass das plötzliche Auftauchen des Roten Monds das größte Ereignis der modernen Menschheitsgeschichte ist. Es wird sicherlich unsre Zukunft prä-
gen – wie es bereits die Vergangenheit geprägt hat. Das schließe ich aus dem Umstand, dass die primitiven Hominiden aus Malenfants Portal gepurzelt sind. Dieses Ereignis ist der Dreh-und Angel-punkt der Geschichte.«
»Ich glaube, ich habe schon genug am Bein, als dass ich auch noch die Verantwortung für die Menschheitsgeschichte übernehmen müsste.«
Nemoto verstummte ärgerlich und frustriert.
»Trotzdem will ich wissen, weshalb Sie sich unbedingt umbrin-gen wollen«, sagte Della
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