Das Muster der Liebe (German Edition)
“Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.”
“Ich war damals so stolz auf dich.”
“Weil ich dir einen Sohn geschenkt hatte, meinst du?”
“Nein … ja, natürlich auch deshalb. Ich war glücklich, einen Sohn zu haben, aber ich wäre genauso glücklich über eine Tochter gewesen.”
Sie nickte.
“Was ich meinte, war, dass du mich mit deiner Entschlossenheit und deinem Mut beeindruckt hast.”
Er klang ehrlich. Doch sie zweifelte daran, ob sie es tatsächlich jemals geschafft hatte, ihn zu
beeindrucken
. Es war irgendwie nicht das richtige Wort.
“Ich erinnere mich daran, wie all die Frauen, die auch in den Wehen lagen, gejammert und nach Schmerzmitteln gefragt haben. Aber nicht du. Nicht meine Jacquie.”
Würdevoll – sogar im Angesicht der unerträglichen Wehenschmerzen. Ja, das war sie. Jacqueline wusste, dass er ihr damit ein Kompliment machen wollte, und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. “Trotz der Schmerzen war es eine der wundervollsten Nächte meines Lebens.”
“Wegen Paul.”
Sie senkte den Blick. “Also, eigentlich nicht. Sondern deinetwegen.”
“Meinetwegen?” Er lachte auf, als könnte er ihr ebenfalls nicht glauben. Sie fragte sich, seit wann dieses gegenseitige Misstrauen ihre Beziehung vergiftete. Und plötzlich wusste sie es – es hatte an dem Tag angefangen, als er seine Geliebte kennenlernte.
“Als wir hierher fuhren, habe ich an die Nacht denken müssen, als Paul geboren wurde.”
Reese nickte. “Ich habe auch daran gedacht.”
“Und weißt du noch, wie du mich zum Auto getragen hast? Es war so … so verwegen von dir. Ich war zu dem Zeitpunkt ja nicht gerade ein Leichtgewicht.”
“Dein Held”, spöttelte er und lächelte.
Eine tiefe Traurigkeit schien sie zu überwältigen. “Du warst mein Held”, flüsterte sie und nahm schnell einen Schluck von ihrem Kaffee. Er sollte nicht sehen, wie unglücklich sie mit einem Mal war.
“Aber das bin ich jetzt nicht mehr”, murmelte er.
Ihr Schweigen sagte mehr als tausend Worte. Sie blickte zur Seite, rang um Fassung. Ein Teil von ihr wollte wissen, was sie ihm nicht hatte geben können, dass er sich einer anderen Frau zuwenden musste. Doch der Schmerz war zu überwältigend. Sie fürchtete, dass, was immer er auch antwortete, ihr noch mehr wehtun würde. Mehr als das bloße Wissen, dass es die Andere in seinem Leben gab.
Er sagte nichts und sah auch nicht in ihre Richtung.
Und plötzlich wurde ihr klar, dass es in diesem Augenblick vielleicht
sie
war, die etwas sagen musste. Vielleicht sollte sie beginnen, eine Brücke zwischen ihnen zu bauen. Sie hatte ihn einmal so sehr geliebt. Und verdammt, ja, sie konnte es auch zugeben: Sie liebte ihn noch immer. Zu sehen, wie Paul und Tammie Lee einander liebten, war auch deshalb so schmerzvoll für Jacqueline, weil sie erkannte, was sie verloren hatte. Nach außen hin führte sie ein wundervolles Leben. Sie musste sich keine Sorgen ums Geld machen, sie hatte ein tolles Haus und viele Freunde. Trotzdem fühlte sie sich furchtbar einsam.
“Ich …”, begann Reese, als plötzlich der Schrei eines Kindes den Flur entlanghallte.
Erschrocken blickten sie einander an.
“Glaubst du, das war sie?”, fragte Jacqueline und sprang auf.
“Ich weiß es nicht”, erwiderte er, der ebenfalls schon stand.
“Vielleicht sollten wir die Krankenschwester fragen?”, überlegte sie.
Er ergriff ihren Ellbogen, und gemeinsam gingen sie zum Schwesternzimmer.
“Wir haben gerade den Schrei eines Neugeborenen gehört”, sagte Reese zu der Frau und nannte ihre Namen.
“Wir haben uns gefragt, ob das möglicherweise unsere Enkeltochter war”, fügte Jacqueline mit leiser Stimme hinzu, um die anderen Patienten und Besucher nicht zu stören.
“Ich werde für Sie nachsehen”, sagte die Schwester und verschwand in einem der Kreißsäle. Nach wenigen Augenblicken kehrte sie mit zwei hellblauen Kitteln zurück. “Ziehen Sie diese Schutzkleidung bitte über. Dann können Sie die junge Familie besuchen.”
Weder Jacqueline noch Reese zögerten auch nur eine Sekunde. Sie zogen die Kittel an, und die Schwester führte sie in den Kreißsaal. Der Raum hatte mit dem Kreißsaal, in dem Jacqueline damals ihren Sohn zur Welt brachte, nicht mehr viel gemeinsam. Ein Sofa, Stühle, ein Fernseher und eine Badewanne standen in dem Zimmer. Wenn sie es nicht besser wüsste … Jacqueline hätte geglaubt, in einem Hotelzimmer zu stehen.
Tammie Lee lag im Bett und lächelte Paul zu, der
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