Das Muster der Liebe (German Edition)
gemacht.
“Du rufst wegen Brad an, stimmt’s?”
Manchmal schien Margaret meine Gedanken lesen zu können. “Ja … hast du von ihm gehört?”
“Ich? Warum, glaubst du, sollte er sich bei mir melden?”
“Möglicherweise war der Wunsch Vater des Gedankens.” Obwohl wir nur miteinander telefonierten, war ich mir sicher, dass meine Schwester meine Frage amüsant fand.
“Wirst du ihn anrufen?”
Der Gedanke schwirrte schon seit einer Woche in meinem Kopf herum. “Vielleicht.”
“Warum rufst du
mich
an?” Der barsche Ton, den ich von ihr kannte, war wieder da.
“Ich weiß nicht”, gab ich zu. “Vielleicht habe ich gehofft, dass du mir sagst, was ich tun soll – nur, damit ich keine komplette Idiotin aus mir mache.”
Sie zögerte einen Moment lang. “Wenn ich du wäre, würde ich die Gelegenheit ergreifen.”
“Würdest du?” Ein Funke Hoffnung glimmte auf.
“Ruf mich noch mal an, wenn du es getan hast, ja?”
“Okay.” Ich hielt einen Moment inne und konnte kaum glauben, dass die Wärme in ihrer Stimme wirklich mir galt. “Margaret …” Ich brach ab und wusste nun nicht, wie ich fortfahren sollte.
“Ja, was denn?”
“Ich wollte dir nur Danke sagen, weil du in den letzten Monaten so wunderbar zu mir warst.”
Meine Dankbarkeit überraschte sie offenbar, denn für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Die Zeit schien stillzustehen, bis ich glaubte, ein leises Seufzen zu hören.
“Es ist toll, eine Schwester zu haben”, flüsterte sie.
Ich empfand es genauso.
Als ich mich entschieden hatte, dass der einzig richtige Weg ein Anruf bei Brad war, fühlte ich mich, als hätte ich eine Mission zu erfüllen. Ich probte einige Male, was ich sagen wollte, bevor ich mir ein Herz fasste und seine Nummer wählte.
Sein Sohn meldete sich beim zweiten Klingeln. “Hallo Cody”, sagte ich.
“Hi.” Er klang unsicher, so als würde er meine Stimme nicht erkennen.
“Hier ist Lydia. Erinnerst du dich an mich? Es ist schon eine Weile her, dass wir uns getroffen haben.”
“Ja, ich weiß! Du bist die Tante mit dem Wollladen. Du hast versprochen, mir einen coolen Pullover mit einem grün-gelben Dinosaurier darauf zu stricken.”
Ich lächelte. “Ich habe schon damit angefangen.” Als ich ins Krankenhaus musste, hatte ich das Projekt beiseitegelegt. Aber mit ein bisschen Anstrengung würde ich es vielleicht bis zum Ende der Woche fertigstellen. “Ist dein Dad zu Hause?”
“Einen Moment. Ich hole ihn.”
Ich starb tausend Tode, bis Brad endlich den Hörer in die Hand nahm. Wahrscheinlich hatte es nicht einmal eine Minute gedauert, doch mir kam es vor, als sei eine Stunde vergangen.
“Hallo.”
“Hi.” Mein Mund war so trocken, dass meine Zunge ihren Dienst verweigerte. “Ich bin es, Lydia.” Sein Schweigen war unglaublich schmerzlich, aber ich ließ mich nicht beirren – wobei ich Margaret gleichzeitig dankte und sie verfluchte, weil sie mich zu diesem Schritt ermutigt hatte.
“Was kann ich für dich tun?”, fragte er schließlich.
“Könnten wir uns treffen und reden?”, entgegnete ich.
“Wann?”
“Wann immer es dir passt.” Ich wollte schreien: “Je früher, desto besser!”, doch ich verkniff es mir. Es musste in seinen Zeitplan passen, nicht in meinen.
“Also gut. Ich lasse dich wissen, wann ich es einrichten kann.”
Ich wartete darauf, dass er noch etwas sagte. Aber als er weiter schwieg, blieb mir nichts anderes übrig, als die Unterhaltung zu beenden. “Dann warte ich auf deinen Anruf.”
“Bis bald.”
“Bis bald.” Die Verbindung war unterbrochen. Da stand ich mit dem Hörer in der Hand und dem Freizeichen im Ohr.
Das Telefonat war schlimmer als befürchtet. Insgeheim hatte ich gehofft, dass Brad beim Klang meiner Stimme so erfreut sein würde, dass, was immer ich ihm angetan hatte, sich in nichts auflösen würde. Wie dumm von mir, seine Gefühle so wenig ernst zu nehmen.
Margaret hatte mir in den letzten Jahren so oft vorgeworfen, egozentrisch zu sein. Ich wusste, dass sie nicht damit klarkam, dass Mom und Dad damals ihre Aufmerksamkeit auf mich fokussierten, um mir durch die schlimme Zeit der Krankheit zu helfen. Eigentlich war ich mir immer sicher, ihre Vorwürfe seien haltlos, geboren aus ihrer Eifersucht und ihrer Unsicherheit. Doch mittlerweile begann ich, die Dinge anders zu sehen.
Wie betrogen musste sie sich gefühlt haben. Betrogen und vernachlässigt. Zum ersten Mal ließ ich den Gedanken zu, dass sie vielleicht recht hatte.
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