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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Mantovana
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geöffneten Vorhang. "Aber Du malst mich ja als Mutter Gottes!" Elena staunte über die Verwendung ihrer eigenen Gesichtszüge auf der Holztafel. "Ja, Du bist für mich göttlich schön, gleichwohl nicht mehr jungfräulich wie diese Madonna." Elena wurde sich erst jetzt der Situation gewahr, in die sie sich begeben hatte. Sie würde es sich nie verzeihen, dem Verlangen so wollüstig nachgegeben zu haben, denn tief in ihrem Innersten war sie eine religiöse Person. Abrupt verliess sie das Atelier des Künstlers, ohne sich noch einmal umzuschauen.
     

Bis tief in die Nacht hinein malte Giovanni am tiefroten Vorhang und setzte diesem zart Goldbordüren auf. Demütig, bescheiden und gleichwohl von jugendlichem Elan schaute diese Madonna zum Gottvater empor wie um Vergebung bittend. Diese Tafel würde er fortlegen und wollte sie erst dann hervorholen, wenn seine Geliebte und er den Mut zum öffentlichen Bekenntnis ihrer Liebe haben würden. Darüber sollten noch einige Jahre vergehen...
Am nächsten Morgen begab sich Giovanni ins Haus der Eltern, wo er Anna und Nicolosia antraf. Gross war die Wiedersehens-Freude mit der Schwester, die Mutter erkundigte sich vor allem nach den beiden in Padua zurückgebliebenen Männern.
Dann, nach dem Nachtmahl, als die Mutter sich bereits in ihre Kammer begeben hatte, begann Nicolosia, Giovanni von ihren Sorgen und Ängsten zu berichten. Würde ihr Gatte sie bald aus Venedig fortholen? Wie würde das Leben in Mantua sein, das Andrea ihr in Aussicht stellte? Könnte Mantegna je den Ruf eines Bellini erlangen, dort fernab vom Einfluss seines Schwiegervaters Jacopo? Und würden sie je eine Familie gründen können?
Ganz entgegen seinen Gefühlen lobte Giovanni das Talent seines Schwagers und berichtete vom grossen Auftrag in Verona. Schon bald also, nach der Vollendung dieses Altarretabels, würde Andrea sein Weib holen kommen. Dies war gewiss. "Sonst nehmen wir zwei die Pferde und reiten ihm entgegen" versuchte Giovanni seine Schwester aufzumuntern. "Warum eigentlich nicht? Oh bitte, Giambellino, reite mit mir zu meinem Geliebten, am besten gleich schon morgen...“. Nachdem Giovanni das Geschäftliche für seinen Vater in dessen Atelier und in der Scuola geklärt hatte und die Pigmente in seinem Lederrucksack versorgt hatte, liess er sich endlich überreden. Elena hatte sich seit ihrem letzten Stell-Dich-ein nicht mehr blicken lassen - und er hatte grosse Lust, Abstand von Venedig zu gewinnen, um sich über ihre Situation, die Verantwortung gegenüber Elena, bewusst zu werden. Dafür war ihm ein Besuch in Verona recht. Er würde seine Schwester zu ihrem Gatten bringen!
     

Kapitel XIV
     
     
Der Heilige Zeno wurde im Jahre 362 zum Bischof von Verona gewählt. Dies war der Grund, weshalb man ihm diese grosse Kirche baute. Zeno, der Heilige, der beim Fischen einen Ertrinkenden rettete und die Tochter des Kaisers Gallienus vom Teufel erlöste. Wie würde das Altarwerk Andreas aussehen? Giovanni war gespannt und hoffte, Entwürfe des Schwagers einsehen zu können. Zunächst einmal war Giovanni jedoch von den kostbaren mittelalterlichen Bronzereliefs des Portals fasziniert: geradezu kindlich naiv war die Darstellung des Balaams auf dem Esel, der einen direkt anglotzte.
Die Freude war unbeschreiblich gross, als Giovanni seine Schwester ihrem Gatten übergab. Andrea plauderte viel über seinen neuen Auftrag und zückte einen Brief hervor, in dem Ludovico Gonzaga einen Aufschub seines Wechsels nach Mantua genehmigte. "Erst einmal will ich das Werk von San Zeno vollenden" Andrea hatte scheinbar grosse Freude an der Realisierung dieses Projekts. Giovanni nutzte die Gunst der Stunde und fragte seinen Schwager geradheraus: "Andrea, darf ich deine Entwürfe zum Altarwerk sehen?" Andrea, stolz über seine ersten Ausführungen, führte Giovanni in sein Atelier in der Nähe der Kirche und brachte dabei seine Gemahlin in einen Raum nebenan, wo sie sich ausruhen sollte. "Hier Giovanni, schau dir einmal die Skizzen dort auf dem Tisch an". Giovanni wankte etwas, als er sich dem Tisch näherte, nahezu hypnotisiert von einem fertigen Tafelbild eines Heiligen, durchstochen von etlichen Pfeilen, einen quer durch das Gesicht, dabei in schmerzverrückter Körperhaltung mit leicht zusammengeschlossenen Beinen und dennoch mit stolz herausgekehrter Brust. Über ihm folgte die Siegesgöttin über einem angeschnittenen Bogen und zu Füssen lag eine Vielzahl an antiken Bruchstücken, von den Jacopo so viele in seinen

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