Das Musterbuch (German Edition)
Allherrscher, etliche Motive brachte er zu Papier, bis er ganz benommen vom farbig-goldenen Licht-Rausch, den sakralen Raum verliess.
Entlang der mole schlenderte Giovanni ziellos in Richtung Arsenal: "Giambellin!" Giovanni drehte sich um. Wer rief ihn da bei seinem Kosenamen. Es war...Elena!
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Kapitel XX
In Mantua, am Ufer des Mincio gelegen, hatten sich Andrea und Nicolosia sehr gut eingelebt. Das konnte Jacopo auf den ersten Blick erkennen. Was für eine Stadt, was für eine Kultur! Hier kann man es als Hofmaler der Gonzaga aushalten, dachte der Alte bei sich, als er Andrea zu Begrüssung umarmte. Nicht ganz ohne Neid, denn seinen Söhnen hätte er gern ein ähnliches Schicksal gewünscht. Allein die Palastanlage am Castello San Giorgio begeisterte den Venezianer. Mit dieser konnte wohl nur die grösste Baustelle Italiens, der Palast vom Humanistenfürst Federico da Montefeltro in Urbino konkurrieren.
Der Beginn des Palastbaus unterlag noch der Führung der Bonacolsi, welche vor den Gonzaga in der Stadt herrschten. Aus dieser Zeit stammte auch der Palazzo Boncolsi am selben Platz, der piazza Sordello .
Jacopo betrat den Palast durch den Eingang zum Castello San Giorgio. Dort wurde ihm der Weg zu einer kleinen Kammer gewiesen, in der maestro Mantegna derzeit Fresken zum Familienleben der Gonzaga ausführte. Andrea war oben auf dem Gerüst und liess sich von einem Gehilfen Farben reichen, als er plötzlich Jacopo erblickte. Fast hätte der den Pinsel fallen gelassen. "Jacopo, alter Freund, was machst du denn hier?" "Na, nach dir schauen und selbstverständlich nach Nicolosia!" Herzlich umarmten sich die beiden Freunde.
"Aber bevor ich dich in mein Haus entführe, möchte ich deinen Kommentar zu meinen Fresken hören!"
"Den Architekurrahmen hast du sehr gelungen in illusionistischer Manier gestaltet. Kompliment! Die Figur auf dem Stuhl wird zweifelsohne Ludovico, deinen Auftraggeber, darstellen. Die weiteren Personen hast du bisher nur als Sinopie ausgeführt. Ich erkenne Barbara von Brandenburg und den Kardinal auf der anderen Wand ist schon deutlich als Francesco erkennbar. Dann ist der Alte rechts von ihm wohl sein Vater. Du hast wahrhaftig Historienmalerei betrieben. Die Familie Gonzaga und ihren Hofstaat und im Hintergrund die ideale Rom-Ansicht, wenn ich mich nicht täusche. Wie aber willst Du die Decke gestalten?"
"Du bist ein scharfer Beobachter und zur letzten Frage: das weiss ich noch nicht! Komm' ich zeig dir jetzt meinen Lieblingsraum." Sie kamen in eine kleine Kapelle, die vor allem durch ein Altarwerk höchste Anmut ausstrahlte. Hierin war die Anbetung des Jesus-Kindes in phantasievoller Grottenkulisse zu sehen, daneben die Beschneidung Christi im Tempel und die Himmelfahrt Christi gegenüber. Die Architektur im Tempel schloss mit den kleinen oculi an diejenige des Raumes vorher an; beeindruckend war aber vor allem das naturalistische Licht in den beiden anderen Tafeln. Die Wände zierte ein Zyklus aus dem Leben Maria. "Madonna, was für ein Werk, das ist doch nicht etwa von..." entfuhr es Jacopo.
"Von wem denn sonst!" Andrea war sich seiner Qualität bewusst.
"Die Goldappliken hast du wohl noch durch Gentile da Fabrianos 'Anbetung' vor Augen gehabt?" "Wenn man hier am Hofe nicht an Gold sparen muss, so mache ich mir diese Materialien eben zunutze." Andrea war ein reicher Mann geworden, das sah Jacopo an seinem rundlichen Körper und der eleganten Kleidung. Andrea zog seine zimarra über und sie verliessen durch den anfangs betretenen Raum der Palastanlage.
"Was ist das eigentlich für ein Eckraum?" wollte Jacopo wissen. "Eine Art Empfangsraum und Begegnungsraum des frisch vermählten Gonzaga-Paares." "Na also, dann lass doch amoretti durch den Himmel jagen!" Jacopo hatte Sinn für Galanterie entwickelt. Andrea wollte sich den Vorschlag überlegen, ja, er schien ihm geradezu genial! Währenddessen erklärte er Jacopo die von ihm hier wiederverwendete Technik des römischen encausto , dem Malen auf Wachs.
Sie durchquerten die piazza Sordello , diskutierten über den Reichtum der Gonzaga und über die Auftragslage in der Serenissima, und kamen derweil über die piazza Broletto zum Torre della Gabbia, der Käfigturm, der an die vielen Leidenen erinnerte, die nach ihrer Verurteilung hierin zur Schau gestellt wurden und verhungerten, und dann am alten Rathaus, dem Palazzo della Ragione vorbei, an der piazza delle erbe . "Übrigens, zum Thema Kunstmäzene und Fürstensouverain: da
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