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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Mantovana
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Porzellanähnlich war ihr Teint mit den rosa Wangen, die Augen setzte er - entgegen der Realität - etwas bräunliche Farbe - terra di Siena - hinzu. Vor ihr sass ein Knabe, auf einem parapetto , einem Mäuerchen. Sie hielt dieses Kind mit ihrer leicht gespreizten Hand zurück, denn der Blick des Kindes war ins Dunkel unterhalb der Mauer gerichtet.
Ein poetisch hellblauer Hintergrund kennzeichnete den Himmel, blau wie an jenem Morgen, als Elena ihm vom Ereignis erzählte. Kleine Wölkchen links und rechts ihrer Schulter sahen aus wie Gedankenblasen einer geistreichen, ernsten, verantwortungsvollen Frau. Elena, so wie er sie jetzt sah, war dem Jungfräulein-Sein entwachsen; aus dem temperamentvollen kecken Wesen war eine reife, selbstbewusste Frau, ja bald schon eine Mutter geworden.
Giovannis innere Ruhe wurde gestört, als es an der Tür pochte. Gentile trat näher und warf dem Bruder ein dunkelblaues Samtbarett zu. "Hier, ein Geschenk von mir für dich, damit Du heute Abend unter den Edelfräuleins einen guten Eindruck hinterlässt." Heute war ja das Fest im Palazzo Ducale, zu dem sein Bruder ihn mitnehmen wollte!
Giovanni setzte sich das Barett auf uns griente gekünstelt frech. Vielleicht würde er so seinen Kummer etwas unterdrücken können.
Die beiden Brüder waren so unterschiedlich! Doch Giovanni hatte Respekt vor dem Älteren, der seiner Mutter Anna so sehr ähnelte. Wahrscheinlich würde aus Gentile, dem Geschäftstüchtigen, eines Tages ein bedeutender Stadtmaler Venedigs werden. Giovanni zögerte nicht, sich vom Enthusiasmus seines Bruders auf dem Weg zum Dogenpalast anstecken zu lassen.
Feuerrot hob sich der Abendhimmel hinter der marmornen Palastfassade ab. Es war ein schöner, früher Herbstabend, der noch einmal die Kraft des Sommers in Erinnerung rief. Behände überquerten sie die piazzetta und gelangten so zum Eingang des palazzo ducale . "Warum führt eigentlich keine goldene Treppe hinauf in den Palast der Reichsten Venezianer?" Gentile könnte sich gut eine noch aufwendigere Gestaltung des Palastes vorstellen. Und wie würden erst die Innenräume aussehen ohne die byzantinische Dekoration, vielleicht mit vielen bunten Fresken?
"Die Zeit des Goldes ist vorbei, Gentile! Es ist Zeit für eine renovatio ! Lass uns unsere Bildtafeln so gestalten, als wären sie nur im Farbpigment von Gold durchzogen, sozusagen als eine letzte Assoziation an das üppige Gold der Serenissima. Dies wäre eine wahre Erneuerung der Kunst und nicht dieser goldene Schnickschnack an Applikationen, die doch nur Altes kopieren." Die jungen Künstler wurden in ihrem kurzen Kunstdiskurs unterbrochen, als ein ihnen bekannter Herr sie umarmte: es war Jacopo Antonio Marcello, der Freund ihres Vaters aus Padua, dem die grosse Antikensammlung gehörte Er erkundigte sich gleich nach dem Befinden des Vaters und hatte dabei Verständnis dafür, dass Jacopo sich hier auf dem Fest nicht tummeln wollte. Schon kamen weitere Edelmänner, reiche Kaufleute und Patrizier. Sie lernten einen deutschen Kaufmann namens Fugger, Jörg Fugger, kennen, der sie einlud, doch einmal am fondaco dei tedeschi , dem Handelsplatz der Deutschen vorbeizuschauen. Ein anderer junger Mann machte aber noch mehr von sich reden.
"...übermorgen nehme ich mir die schönste Frau Venedigs und danach gehe ich als Konsul nach Brügge." "Wer ist dieser selbstbewusste junge Mann dort in der Mitte des Zehnerrates?" "Das ist doch Alberto Contarini, der demnächst die Loredan-Tochter heiratet“, wusste der Kunstsammler zu berichten. "Man munkelt, dass Lorenzo Loredan ein Anwärter für das Dogen-Amt sein könnte...". Politik interessierte den jungen, unglücklich verliebten Maler heute Abend nun überhaupt nicht. Seine Laune war auf dem Nullpunkt und er hatte nur noch den Wunsch, schnell zu verschwinden. Da trat der Doge Cristoforo Moro direkt auf die Brüder zu und sagte: "Wer von euch beiden ist Gentile, der Bildnismaler unseres Heiligen Justinian?" Gentile nickte verlegen, als verschlüge es ihm die Sprache. "Ich will mal sehen, was ich tun kann für so begabte Söhne des berühmten Jacopo Bellini, Maler unseres verehrten Dogen Foscari". Damit war er schon wieder verschwunden und die Brüder waren sich einig, dass dieser Abend nicht ohne Wirkung für ihre Zukunft sein würde, wenigstens für einen von ihnen.
Giovanni überliess seinen Bruder dem Schicksal und schlich hinaus in den Innenhof. Von dort aus vernahm man noch die Musik der Lyren und Flöten und das laute

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