Das Musterbuch (German Edition)
verbunden, ohne dies zu ahnen.
Ganz leise betrat Giovanni Battista den Kirchenraum. Ginevra hatte ihm mitgeteilt, dass sein Vater sich dort aufhielt, um zusammen mit seinem Kollegen Giorgione die Hängung des soeben fertig gestellten Altarbildes zu prüfen.
"Vater, ich komme soeben aus Mantua und soll dir von Andrea Mantegna dieses Päcklein aushändigen." Giovann Battista wusste, dass er dieses kostbare Geschenk unverzüglich dem Empfänger abgeben musste. Und als der Vater das ihm Überreichte öffnete, füllten sich seine Augen mit Tränen. Giorgione nahm Giovann Battista mit sich auf den Platz vor der Kirche. Der Vater war so traurig geworden, dass der Sohn es kaum wagte, ihm noch in diesem Augenblick den Tod seines geliebten jungen Kollegen Alvise Vivarini mitzuteilen.
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Kybele war die Mater Magna, die Mutter aller Dinge, und wurde als Göttin der Fruchtbarkeit von den Griechen und bis zum zweiten römischen Kaiserreich als Rhea in Kulthandlungen verehrt.
Publius Cornelius Scipio kämpfte während es zweiten punischen Krieges am Ticinus, erhielt als Prokonsul den Oberbefehl in Spanien, wurde schliesslich nach der Eroberung von Stadt Carthago nuovo , auf spanischem Territorium, Konsul und entschied im Jahre 202 vor Christus die Schlacht bei Zama und damit den zweiten punischen Krieg.
Nachdem er seine Bücher über Kybele und Publius Cornelius Scipio durchgelesen hatte, begann Andrea Mantegna seine Komposition zu den Leinwandbildern für Francesco Cornaro.
Der Hintergrund sollte wie roter Achat aussehen, die Figuren würden sich hiervor wie geschnitzt abheben. Die Grisaille-Malerei erinnerte stark an antike römische Sarkophage, die ihm auch als Vorbild dienten.
Der römische Senat hatte Publius Cornelius beauftragt, die Büste der Kybele als Schutz gegen Hannibal von Phrygien nach Rom zu holen. Als Vorbild zur Darstellung für die Büste nahm Andrea seine 'Faustina' hervor, die ihm alles geliebte Figur aus Rom.
Zwischen die römischen Senatoren und einem Priester zeichnete er eine kniende, flehende Frau, deren Gewand das Rot des Hintergrundes aufnahm. Dies war die Matrone Claudia Quinta, die ihre Tugendhaftigkeit dieser heiligen Büste zu verdanken glaubte.
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Ob Isabella diese Anspielung erkennen wird? Denn, ist sie nicht wirklich eine tugendhafte Herzogin und steht nicht ihr , seiner ständigen Bewunderin seiner Kunst, endlich seine Statue der Faustina zu? Andrea dachte beim Skizzieren hierüber nach.
Schliesslich war Andrea einverstanden, der Herzogin die antike Büste zu verkaufen! Das Geld würde Nicolosia für den Haushalt gebrauchen können, mangelte es doch seit einiger Zeit an grossen Aufträgen, die der Hofmaler von Mantua in besseren Zeiten nur zusammen mit einer florierenden bottega bewältigen konnte. Man munkelte gar, der alte Mantegna hätte nach und nach all seine Ländereien verkauft und seine Familie wohne jetzt in einem bescheidenen Quartier. Der Einmarsch der Franzosen im Norden Italiens forderte seinen Tribut.
Aber bevor noch die Herzogin die 'Faustina' in ihre Reihe bedeutender Kunstwerke, in ihr studiolo trug, verstarb der grösste Künstler der Stadt Mantuas am 13. September anno 1506. Die Andreas-Glocke läutete als die Trauergemeinde einmarschierte. In der Kirche Sant' Andrea fand der grosse Meister seine letzte Ruhestätte.
Teil 4: Ehre, Ruhm und Tod
Kapitel XXXIV
Anno 1506 bis 1516
Die Nachricht vom Tode Mantegnas verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf der terra ferma und in Venedig. Ein Bursche stand eines Tages in der Tür des Meisters und sagte atemlos: „Habt Ihr schon gehört, maestro ? Der grosse Mantegna ist gestorben! Ganz Mantua trauert um ihn!“
Giovanni wischte sich den Schweiss von der Stirn, der plötzlich auftrat. Hätte er die letzte Zeit nicht nutzen sollen, sich mit ihm zu versöhnen? Er hatte ihm doch das Skizzenbuch seines Vaters zurückgegeben...nun war es jedenfalls zu spät!
Wenige Wochen später pochte es an der Tür und Francesco Cornaro trat ein. Ihm war der Patrizier aus Mantua zwar bekannt, gearbeitet hatte er hingegen niemals für ihn. " Maestro Bellini, wären Sie bereit, das Werk des Meisters Mantegna für mein neues Haus fortzusetzen?" Der Cornaro kam gleich unverblümt mit seinen Anliegen heraus. "Die Szenen zum Leben des Publius Cornelius Scipio sind fast fertiggestellt, doch es fehlt auf einem Bild die ganze rechte Hälfte zum Thema: die Enthaltsamkeit des Scipio! Ein Bote hatte Cornaro das unfertige
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