Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
Blut!“
„Da bist du ja“, rief Hannes und humpelte auf mich zu. Er
hatte eine Fleischwunde am Oberschenkel, die bereits verbunden war.
„Nichts Ernstes“, sagte er abwinkend, als er meinen
besorgten Blick sah. „Freut mich, dass du heil geblieben bist, deine Rüstung
sieht aber ganz schön ramponiert aus. Wie viele hast du ins Jenseits
geschickt?“
„Einen zu viel“, murmelte ich zerknirscht.
Als mein Freund mich fragend ansah, erzählte ich ihm, was
geschehen war.
„Das ist bitter“, sagte Hannes, „aber du konntest
schließlich nicht wissen…“
„Ja, ich weiß!“, rief ich heftiger als gewollt. Dann stapfte
ich davon.
„Sieg!“, schrien einige Ritter, andere nahmen den Ruf auf.
Am Abend verwandelte sich das Heerlager in einen Haufen von
Trunkenbolden. Unbändiger Siegestaumel hatte Ritter und Soldaten erfasst. Sie
tranken, bis sie umfielen und Graf Adolf ließ sie gewähren. Auch ich betrank
mich, aber nicht vor Freude über unseren Sieg. Ich wollte einfach nur
vergessen.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich so elend wie noch nie
zuvor in meinem Leben. Mein Knappe Hans kümmerte sich rührend um mich. Während
der Schlacht hatte ich den Jungen sofort aus den Augen verloren. Ich hätte auf
ihn Acht geben müssen, war aber so sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen,
dass ich keinen Gedanken an den Jungen verschwendet hatte. Jetzt schämte ich
mich dafür, ohne es zu geben zu wollen.
„Wie ist es dir ergangen in der Schlacht?“, fragte ich ihn
so beiläufig wie möglich.
Hans erzählte unbekümmert, wie er versucht hatte, mir zu
folgen. Aber sein Pferd hielt nicht mit. Es war beim ersten Aufprall auf den
Feind gestürzt, er hatte das Bewusstsein verloren und war erst wieder
aufgewacht, als die Schlacht bereits zu Ende war. Halb unter einem toten
dänischen Ritter liegend hatte er einige Zeit gebraucht, sich zu befreien.
„Es tut mir leid, dass ich nicht an Eurer Seite war während
der Schlacht“, sagte mein Knappe zum Schluss etwas zerknirscht.
„Du warst sehr tapfer“, beteuerte ich und legte ihm eine
Hand auf die Schulter. Ich war froh, dass er im Kampfgetümmel nicht bei mir
gewesen war. Wer weiß, ob er das überlebt hätte.
„Von diesem Schlag werden die Dänen sich nicht so bald
erholen“, sagte Hannes. „Jetzt sind unsere Fürsten wieder die Herren im Lande.“
Ich nickte mechanisch.
In einem improvisierten Gottesdienst unter freiem Himmel
dankte der Erzbischof von Bremen der heiligen Maria Magdalena, die den Sieg
über das zahlenmäßig überlegene Heer der Dänen ermöglicht hatte. Später hieß
es, die Heilige selbst hätte den Sand aufgewirbelt, um ihn in die Augen der
Dänen zu streuen. Auch hätte sich plötzlich eine Wolke vor die blendende Sonne
geschoben. Einige schworen sogar, in der Wolke die Heilige persönlich gesehen
zu haben.
Aber ich wusste es besser. Hätten die Dithmarscher nicht die
Seiten gewechselt, wäre es schlecht für uns ausgegangen.
In Lübeck wurden wir mit großem Jubel empfangen.
Die Männer, die sich in der dänischen Garnison verschanzt
hatten, ließ man nach kurzer Verhandlung ungeschoren abziehen. Die dänische
Zwingburg wurde geschleift und an ihrer Stelle sollte entsprechend dem Gelübde
der Lübecker Ratsherren das Maria-Magdalenen-Kloster errichtet werden.
Zusammen mit anderen Rittern kniete ich in der riesigen
Marienkirche und bat um die Vergebung meiner Sünden.
Einer Eingebung folgend fasste ich an diesem Tag einen
folgenschweren Entschluss, der mein ganzes Leben verändern sollte. Ich schwor,
dem Aufruf des Kaisers zu folgen und das Kreuz zu nehmen, um das Grab Christi
im Heiligen Land zu befreien. Die Kaiserlichen hatten erzählt, dass Kaiser
Friedrich noch in diesem Jahr von Apulien aus nach Outremer aufbrechen wollte.
Ich durfte also keine Zeit verlieren, wenn ich mich dem Kreuzzug anschließen
wollte.
Mein Vater war nicht begeistert von dem Vorhaben seines
einzigen Sohnes. Die letzten Kreuzzüge im Heiligen Land endeten fast alle in
einem Fiasko. Viele tapfere Ritter waren niemals zurückgekehrt, unter ihnen
auch Friedrich Barbarossa, der Großvater des heutigen Kaisers.
Aber das Gelübde eines Ritters war heilig, also blieb ihm
nichts anderes übrig, als mir seinen Segen zu geben. Der Abschied fiel kurz,
aber herzlich aus. Mein Vater umarmte mich und sah mir einen Augenblick in die
Augen.
„Wenn Gott es gefallen sollte, mich zu sich zu nehmen, bevor
du heimkommst, dann wende dich an Albrecht von Uritz,
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