Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
Stein
hochzuziehen. Keuchend kletterte ich noch ein Stück höher und erreichte
schließlich halbwegs trockenen Boden.
Triefend nass und außer Atem ließ ich mich auf einem
Vorsprung nieder. Einen Moment war ich wie betäubt. Alles war so schnell
gegangen, dass ich erst einmal realisieren musste, was passiert war.
Ich befand mich auf einer Felsspitze, die glücklicherweise
weit genug aus dem Wasser ragte, um ein wenig Schutz vor den Fluten zu bieten.
Keuchend saß ich auf dem rauen Felsen, während um mich herum
die entfesselten Gewalten tobten. Nicht weit entfernt sah ich unser Schiff, das
an einer Klippe zerschellt war und auf der Seite lag. Durch das Tosen des
Sturms hörte ich einzelne Schreie. Die Sicht war so schlecht, dass ich mich
nicht orientieren konnte. Wo war die Küste? Sie konnte doch nicht weit sein.
Ich musste versuchen, den Schiffbrüchigen zu helfen. Aber
solange die Wellen zwischen den Klippen wüteten, war es selbstmörderisch,
meinen halbwegs sicheren Standort zu verlassen. Als ich unter mir eine Gestalt
erblickte, die leblos im Wasser trieb, wagte ich es dennoch, vorsichtig vom
Felsen zu klettern. Ich packte den Mann am Kragen und drehte ihn herum. Es war
der Kapitän, aber für ihn kam jede Hilfe zu spät. Der Schädel war eingeschlagen
und die Augen starrten mich blicklos an. Langsam ließ ich den leblosen Körper
wieder ins Wasser gleiten und kroch wieder ein Stück hinauf.
Die Zeit schien sich verlangsamt zu haben. Während um mich
herum die Wellen hochschlugen, wartete ich auf meiner Klippe auf das Nachlassen
des Sturmes.
Dann war es plötzlich vorbei. Das Unwetter verzog sich so
schnell, wie es gekommen war, der Himmel klarte wieder auf und gab den Blick
auf das ganze Ausmaß der Katastrophe frei.
Die Überreste des Schiffes dümpelten zwischen zwei Felsen
hin und her, überall schwammen Trümmerteile und Ausrüstungsgegenstände. Einige
Leichen trieben im Wasser, aber etliche Männer konnten sich wie ich selbst auf
die schroffen Felsen retten.
Freudig überrascht stellte ich fest, dass sich nicht weit
von mir entfernt eine Bucht mit einem Sandstrand befand. Einzelne Männer
schwammen auf die Küste zu, einige hatten es bereits bis zum Strand geschafft.
Sie waren völlig erschöpft und blieben einfach dort liegen, wo sie auf das
rettende Ufer gekrochen waren.
In diesem Moment brach der Schiffsrumpf mit einem hässlichen
Geräusch auseinander. Mehrere Pferde, die wie durch ein Wunder unverletzt
geblieben waren, brachen durch die entstandene Bresche und strebten panisch dem
Strand zu. Bevor sie das rettende Ufer erreichten, brach sich eines von Ihnen
die Vorderläufe zwischen den schroffen Felsen und trieb schrill wiehernd ab.
Mit großer Erleichterung beobachtete ich, wie mein
Schlachtross Hektor es bis zum Strandsand schaffte, wo er erschöpft und
zitternd stehen blieb. Ich schickte ein Dankgebet zum Himmel. Drei weiteren
Tieren gelang es, den Klippen und Fluten zu entkommen.
Gerade raffte ich mich auf, um das relativ kurze Stück zum
Strand zurückzulegen, als ich zwischen den treibenden Trümmern eine reglose
Gestalt entdeckte, die meine Aufmerksamkeit erregte. Der große, massige Körper
konnte nur Sven gehören. Der Hüne hatte sich an eine Schiffsplanke geklammert
und drohte abzutreiben. Mit jeder Welle entfernte er sich ein Stück weiter vom
Ufer.
Ohne zu überlegen sprang ich ins Wasser und versuchte, zu
ihm zu gelangen. In dem starken Wellengang war das gar nicht so einfach. Das
Meer hatte sich ein Stück zurückgezogen und zunächst war es zum Schwimmen zu
flach. Einige Male verlor ich den Halt und fiel zwischen die Felsen. Dann
spürte ich plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen, der Meeresboden fiel
rapide ab.
Zum Glück war ich wegen des warmen Wetters nur leicht
bekleidet. Mit kräftigen Zügen kraulte ich auf den im Wasser treibenden Mann zu
und hoffte inständig, dass er noch lebte.
Als ich den Normannen endlich erreichte, waren wir beide
bereits ein gutes Stück von der Küste entfernt. Mit etwas Mühe löste ich Svens
klamme Finger, die noch immer die Schiffsplanke umklammert hielten, drehte ihn
auf den Rücken, um sein Gesicht über Wasser zu halten und schlang meinen linken
Arm um ihn. Mit aller Kraft ruderte ich rückwärts auf das rettende Ufer zu und
zog ihn dabei hinter mir her, immer bemüht, seinen Kopf über Wasser zu halten.
Dabei musste ich gegen die Strömung ankämpfen, die uns unerbittlich aufs offene
Meer hinaus treiben wollte.
Nach
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