Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
und ich redete mir
ein, dass sich so etwas niemals wiederholen würde.
Später, als ich in Apulien erfahren musste, was der Krieg
aus Männern machen konnte, revidierte ich meine Meinung.
Wie erwartet, weigerte sich der Patriarch von Jerusalem,
unseren Kaiser zum König von Jerusalem zu krönen, aber Friedrich konnte das
nicht erschüttern. Legitimiert durch seine Heirat mit Yolante von Brienne, der
vor einem Jahr verstorbenen letzten Königin von Jerusalem, setzte er sich in
der Grabeskirche selbst die Krone aufs Haupt.
Kein geringerer als Hermann von Salza hielt die Laudatio.
Mit seinem hohen Wuchs und den breiten Schultern war der Hochmeister des
Deutschritterordens eine imposante Erscheinung. Weithin sichtbar prangte auf
seinem weißen Umhang das schwarze Tatzenkreuz, welches den Rahmen für ein etwas
kleineres, goldenes Kreuz bildete, in dessen Mitte sich zum Zeichen seiner
Macht ein Adler befand. Sein großer goldener Siegelring glitzerte im Schein der
schräg einfallenden Sonnenstrahlen, als er dem Kaiser seinen Segen gab.
Die Krönung hatte allerdings eher symbolischen Charakter,
denn der Kaiser beabsichtigte nicht, das Amt in Jerusalem auszuüben. Ihm
genügte der Triumph, die Heilige Stadt für die Christenheit befreit zu haben.
Er hatte vollendet, was weder seinem Großvater Friedrich Barbarossa noch König
Richard Löwenherz und den vielen anderen Kreuzfahrern seit über hundert Jahren
gelungen war.
Wir alle waren sicher, der päpstliche Bannspruch müsste
jetzt aufgehoben werden.
Aber die Nachrichten, die uns aus der Heimat erreichten,
waren nicht nur entmutigend, sondern geradezu alarmierend. Der Papst dachte
nicht daran, den Bann aufzuheben. Stattdessen fiel er in Abwesenheit des
Kaisers mit einem Söldnerheer in das Königreich Sizilien ein. Dabei nutzte er
alte Feindseligkeiten geschickt aus und brachte einige der einheimischen Barone
in der Heimat Friedrichs auf seine Seite.
Später ging der Pontifex Maximus sogar noch weiter und
verbreitete das Gerücht, der Kaiser wäre im Heiligen Land gefallen.
Als Friedrich das hörte, bekam er einen seiner gefürchteten
Zornesausbrüche. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich
die Heimreise anzutreten, um sein Königreich aus den Klauen des gierigen
Papstes zu befreien.
Als die kaiserlichen Ritter sich einschifften, um sich auf
den Heimweg zu machen, zogen auch wir und mit uns ein Großteil des
Kreuzfahrerheeres ab. Mit Hilfe des Grafen von Aversa ergatterten wir noch
Plätze auf einem der ersten Schiffe, die in See stachen. Rainulf war mit seinen
Rittern auf demselben Schiff, unter ihnen auch der Normanne Sven.
Mit gemischten Gefühlen schaute ich zurück auf die Küste,
die sich langsam, aber stetig entfernte.
Ich trauerte um meinen jungen Knappen Hans, dem Jüngsten meiner
Begleiter. Dennoch war ich froh, keinen weiteren meiner Männer verloren zu
haben.
Seit fast drei Jahren hatte ich meine Heimat nicht gesehen.
Dort herrschte jetzt sicher schon klirrende Kälte. Doch bis wir den weiten Weg
über die Alpen und bis in den Norden zurückgelegt hätten, würde es sicher schon
Frühling oder gar Sommer sein.
Ich malte mir aus, wie mein Vater mich willkommen heißen und
wie ich Constance in die Arme schließen und herumwirbeln würde. Wie sehr
vermisste ich ihr unbekümmertes, silberhelles Lachen.
Meinem Vater würde ich feierlich das Familienschwert
zurückgeben, welches mir im Heiligen Land gute Dienste geleistet hatte. Ich
hatte es in Jerusalem am Grab Christi mit dem Weihwasser aus der Grabeskirche
beträufelt, um es symbolisch von dem Blut der Ungläubigen zu reinigen.
Mein Vater würde sicher sehr stolz auf mich sein, denn ich
war der erste meines Geschlechts, der im Heiligen Land gewesen war.
Würde ich mit ihm über meine Zweifel sprechen können, die
mich in Akkon und Jerusalem befallen hatten? War es wirklich richtig, im Namen
Christi Menschen zu töten, deren einziges Verbrechen darin bestand, an einen
anderen Gott zu glauben als wir? War es überhaupt ein anderer Gott oder meinten
sie denselben Gott, wenn sie von Allah sprachen?
Ich hatte Hochachtung vor unserem jungen Kaiser Friedrich,
der das Wunder vollbracht, Jerusalem ohne Blutvergießen zu erobern und damit
der ganzen Welt gezeigt hatte, dass Menschen unterschiedlichen Glaubens
friedlich zusammen leben können. Dazu bedarf es nur einer gewissen Toleranz.
Aber eines stand für mich fest: Niemals wieder würde ich
mich einem Kreuzzug anschließen,
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