Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
ein Küken!“, rief einer
der Kerle und packte sie an den Zöpfen. Die Kleine war sicher noch keine zwölf
Jahre alt.
„Bisschen mager, aber besser als gar nichts“, meinte sein
Kumpan, zerriss das Kleid am Ausschnitt des Mädchens und entblößte eine kleine,
noch kaum entwickelte Brust.
Das Mädchen war schreckensstarr. Dann begann sie zu
schreien, zu strampeln und um sich zu schlagen. Sie versuchte zu beißen und
kämpfte wie eine Furie.
„Ganz schön widerspenstig“, lachte ein vierschrötiger Kerl
und nestelte an seinem Hosenbund.
Das war zu viel für mich. Ich erwachte aus meiner Starre und
war mit ein paar Schritten bei den sechs Soldaten.
„Sind wir jetzt schon zu Kinderschändern geworden?“, brüllte
ich wütend.
„Einer muss es ihr doch beibringen“, erwiderte der Vierschrötige
unbeeindruckt. Seine Kumpane lachten lauthals.
Ich zog Schwert und Messer gleichzeitig. Einer gegen sechs
war zwar Wahnsinn, aber ich hoffte noch immer, die Männer zur Vernunft bringen
zu können. Den Soldaten blieb das Lachen im Halse stecken. Überrascht und ungläubig
starrten sie mich an.
„Lasst das Kind los“, sagte ich gefährlich ruhig in die
entstandene Stille hinein.
„Oder?“, entgegnete der Anführer angriffslustig und zog
ebenfalls sein Schwert. Die Anderen taten es ihm nach. Mein Langschwert hatte
eine größere Reichweite als die Schwerter der Soldaten, dennoch hatte ich gegen
sechs kampferprobte Männer kaum eine Chance.
„Wollt ihr Euch mit einem Ritter anlegen, um ein Kind zu
schänden?“, versuchte ich es noch einmal im Guten.
„Wir verlangen nur unser Recht“, entgegnete der
Vierschrötige.
Wer weiß, wie die Sache ausgegangen wäre, wenn nicht in
diesem Moment kein anderer als Graf Rainulf von Aversa mit einigen Rittern in
der Gasse aufgetaucht wäre.
„Was geht hier vor?“, rief der Graf mit scharfer Stimme.
Alle senkten die Waffen.
„Ich habe nur ein Verbrechen verhindert“, ergriff ich das
Wort, „diese Männer wollten ein Kind schänden.“
Ich sah mich nach dem Mädchen um, doch die Kleine hatte die
Gelegenheit der Verwirrung genutzt und war verschwunden.
„Ein Kind? Die war mindestens fünfzehn“, protestierte einer
der Soldaten.
„Dieser Ritter gönnt uns unseren Spaß nicht“, setzte einer
seiner Kumpane trotzig hinzu.
Rainulf sah mich durchdringend an. „Ich sehe Euch heute
Abend in meinem Zelt, Ritter Conrad von der Lühe.“
Ich nickte mechanisch.
„Und was euch angeht“, wandte er sich an den Anführer der
sechs Soldaten, die jetzt ziemlich betreten zu Boden schauten, als könnten sie
kein Wässerchen trüben, „solltet ihr noch einmal die Waffe gegen einen meiner
Ritter ziehen, erwartet euch der Galgen. Geht mir aus den Augen.“
Der Anführer der Kriegsknechte wollte noch etwas sagen,
verbiss es sich aber lieber, als er dem eisigen Blick des Grafen begegnete.
Erst gegen Abend wurde das Heer aus der völlig geplünderten
Stadt abgezogen, an einigen Stellen waren Feuer ausgebrochen. Ich blieb noch so
lange in der Gasse, bis keine Gefahr mehr drohte. Dann stieg ich in den Keller,
in dem ich die Frau und das Kind zurückgelassen hatte.
„Die Soldaten sind abgezogen, ihr könnt herauskommen“, sagte
ich in die Stille hinein. Einen Moment blieb es still, dann spähte die junge
Frau vorsichtig über die Fässer. Als sie mich erkannte, atmete sie sichtbar auf
und kam mit ihrem Kind hervor gekrochen.
„Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll, Herr“, sagte sie,
kniete nieder und wollte meine Hand küssen.
„Nein, bitte“, sagte ich. „Du brauchst nicht vor mir zu
knien.“
Einer Eingebung folgend drückte ich ihr ein Goldstück in die
Hand. „Das wird euch über die erste Zeit hinweghelfen.“
Sie wollte es nicht annehmen, aber ich hatte mich schon
abgewandt.
„Ich werde Euren Namen niemals vergessen, Herr Conrad von
der Lühe“, hörte ich sie hinter mir sagen und drehte mich noch einmal zu ihr
um. Unsere Blicke trafen sich und sie schaute mich forschend an.
„Ihr seid nicht von hier, nicht wahr?“
„Nein, ich komme aus dem fernen Norden, meine Heimat liegt
weit hinter den Alpen.“
„Wie kommt es, dass Ihr unsere Sprache sprecht?“, wollte sie
wissen.
„Ich habe sie im Heiligen Land gelernt, von Federicos
Rittern.“
Ihre Augen verdunkelten sich, als ich die Ritter des Kaisers
erwähnte.
„Es sind viele edle Männer dabei“, fühlte ich mich
verpflichtet zu sagen, „auch wenn du es im Moment nicht glauben
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