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Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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für das
leibliche Wohl und die Sicherheit der Familie. Die Frau führte den Haushalt und
schenkte ihm Kinder, möglichst Söhne, um die Erbfolge zu sichern. Je nach Stand
musste die Frau entweder mitarbeiten, das Vieh versorgen oder das Gesinde
beaufsichtigen. Rechte hatte sie dabei kaum, denn der Ehemann war ihr Vormund
und konnte nach Belieben über sie verfügen.
    Keine guten Aussichten für ein Mädchen, das es gewohnt war,
eigene Entscheidungen zu treffen und nicht unter dem strengen Reglement eines
autoritären Vaters aufgewachsen war. Line hatte niemals gelernt, in Gegenwart
männlicher Personen schicklich die Augen zu senken und sich widerspruchslos in die
Entscheidungen von Vater und Brüdern zu fügen. Auch den Nonnen im Kloster war
es nicht gelungen, ihr Demut einzutrichtern. Das war letztlich der Hauptgrund
für ihre Flucht gewesen. 
    Wenn sie es sich recht überlegte, war es besser, allein zu
bleiben als sich den Launen eines Mannes auszuliefern. Schließlich kam auch
Grete ganz gut ohne Mann zurecht. Dabei fiel ihr ein, dass sie recht wenig über
die alte Heilerin wusste. Ob sie jemals einen Mann geliebt hat? Irgendwann
würde sie es ihr vielleicht erzählen.
    Inzwischen hatten sich dichte Wolken zusammengezogen, Wind
kam auf und plötzlich öffneten sich die Himmelspforten und schütteten
Wassermassen wie aus Kübeln auf die Erde. Der Wind nahm zu und peitschte den
beiden Frauen den Regen ins Gesicht, als sie den dichten Wald verließen.
Verschwommen tauchte der kleine Ort Herbishofen im Tal vor ihnen auf, durch den
dichten Regen kaum zu erkennen.
    Es war Sonntag. Nach dem Gottesdienst waren die Menschen in
die Häuser geflohen, um Schutz vor dem Unwetter zu suchen. Von den Kaminen
stieg Rauch auf. Wer nicht unbedingt nach draußen musste, blieb heute lieber am
heimischen Herdfeuer.
    Der prasselnde Regen verschluckte alle anderen Geräusche.
    Die beiden Frauen stapften durch den Matsch, ihre Füße
froren in den derben, mit Stroh ausgepolsterten Holzpantinen. Ihre Mäntel
hatten sie eng um sich geschlungen und die Kapuzen weit ins Gesicht gezogen.
Trotzdem waren sie völlig durchnässt nach dem Fußmarsch, den sie hinter sich
hatten.
    Der Regen fiel so dicht, dass er die Sicht behinderte. Aber
die Frauen kannten sich gut aus im Dorf.
    „Ziemlich rücksichtslos von dem Würmchen, sich gerade diesen
Tag auszusuchen, um auf die Welt zu kommen“, murmelte die alte Wehmutter. Ihre
Stimme wurde durch das wollene Schultertuch gedämpft, das sie über Kinn und
Mund gezogen hatte.
    „Vielleicht will es unbedingt ein Sonntagskind werden“,
vermutete das junge Mädchen an ihrer Seite.
    Seit Line bei Grete war, begleitete sie die alte Wehmutter
und Kräuterfrau fast immer bei Krankenbesuchen und Entbindungen.  
    Endlich kam die bescheidene Kate am Dorfrand in Sicht, in
der die Gebärende wohnte. Zweimal hatten sie die junge Bäuerin während ihrer
Schwangerschaft bereits besucht, um ihre Beschwerden zu lindern.
    Schon nach dem ersten Klopfen wurde die Tür aufgerissen.
    „Endlich!“, rief erleichtert ein junger Mann, dessen
säuerlicher Atem verriet, dass er nicht mehr ganz nüchtern war. Hinter ihm auf
dem groben Tisch entdeckte Line einen Bierkrug und einen Becher.
    Der Regen wurde vom Sturm in den einzigen Raum der ärmlichen
Behausung getrieben und die Frauen beeilten sich einzutreten, um die Tür
schnellstmöglich wieder hinter sich zu schließen.
    Der Hausherr nahm ihnen die Mäntel ab. Auf der einzigen
Lagerstatt lag eine noch sehr junge Frau in den Wehen und stöhnte in
unregelmäßigen Abständen. Neben ihr kniete eine Ältere, die vielleicht ihre
Mutter oder Schwiegermutter sein mochte und wischte ihr den Schweiß von der
Stirn. Die Haare der Gebärenden waren schweißnass und klebten ihr in Strähnen
am Gesicht und Hals.
    Im Herd prasselte ein Feuer, das mit wenig Erfolg gegen die
Kälte ankämpfte, die durch die dünnen Wände kroch.
    Wie Grete zufrieden feststellte, kochte auf dem Herd bereits
ein Kessel mit heißem Wasser. Sie ging sofort zu der jungen Bäuerin und
untersuchte ihren Leib.
    „Ich habe ihr vorhin eine kräftige Brühe gegeben, sagte die
ältere Frau, die noch immer neben dem Bett der werdenden Mutter kniete.
    „Das ist sehr gut“, lobte Grete, „sie wird viel Kraft
brauchen.“
    Der zukünftige Vater sah ängstlich zu seiner Frau und
knetete die schweißnassen Hände. Seine Augen wanderten zu dem Bierkrug. „Steh
nicht so rum, gieß das heiße Wasser in die Schüssel

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