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Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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Patienten wusste, sah sie ihn
in einem anderen Licht. Er war ein Ritter. Er war geboren, um zu kämpfen und
wenn nötig auch zu töten, während sie selbst den Sinn ihres Lebens in der
Heilung von Kranken sah. Sein Leben war ihr fremd. Manches, was er so
selbstverständlich erzählte, erschreckte oder erschütterte sie.
    Und dennoch war er alles andere als ein gefühlloser Krieger.
Da gab es noch eine andere Seite an ihm, die Line faszinierte. Es war die
Tatsache, dass er sich trotz der schrecklichen Erlebnisse seine Menschlichkeit
bewahrt hatte – er nannte es Ritterlichkeit.
    Es war die Art, wie er über seinen Vater oder diese
Constance sprach, die sicher seine Geliebte oder sogar Ehefrau war, über seinen
Knappen Hans, die gerettete Frau mit dem kleinen Kind und wie er sich um seine
Waffenknechte und seinen Freund Sven sorgte, von denen er nicht wusste, ob sie
noch lebten.  
    Während Line noch über die Erzählungen des jungen Ritters
nachdachte, schlurfte sie am frühen Morgen müde neben der schweigsamen Grete
her durch den Wald. Sie waren auf dem Weg zu einer Patientin.
    Warum hatte das Schicksal den jungen Ritter zu ihnen
geführt? Es konnte doch kein Zufall sein, dass die beiden Frauen beim
Heilkräuter suchen am Bach auf ihn gestoßen waren.
    „Glaubst du an Schicksal, Großmutter?“, fragte sie die alte
Grete. Da sie ohnehin für die Enkelin der Wehmutter gehalten wurde, hatte sie
sich daran gewöhnt, sie Großmutter zu nennen, während diese sie meistens mit
Töchterchen ansprach.
    Die alte Frau wandte ihr den Kopf zu, während sie weiter
nebeneinander den Waldweg entlanggingen.
    „Natürlich glaube ich an das Schicksal“, sagte sie etwas
erstaunt. „Oder Vorsehung, göttliche Fügung, wie immer du das nennen willst.
Wie sonst hätten wir zusammengefunden? Ich hätte mir keine bessere Nachfolgerin
wünschen können.“
    „Nachfolgerin?“, fragte Line überrascht.
    „Natürlich. Denkst du, ich werde ewig leben? Ich habe keine
Verwandten und wenn der Herr im Himmel mich zu sich holt, muss jemand meine
Arbeit weiterführen.“
    „Aber ich will an so etwas gar nicht denken“, entgegnete
Line etwas erschrocken.
    „So Gott will, werde ich dich noch ein paar Jahre
unterrichten können. Noch bist du nicht so weit.“
    Dann schaute sie das Mädchen skeptisch an. „Aber vielleicht
willst du das dann gar nicht mehr.“
    In den beiden Jahren, die sie jetzt bei ihr lebte, hatte das
Mädchen sich heraus gemacht. Ihre Hüften hatten sich gerundet und ihr Busen
zeichnete sich unübersehbar unter ihrem Kleid ab. Sie war erwachsen geworden.
    „Du wirst einen schmucken Mann kennen lernen und viele
Kinder haben“, meinte Grete leichthin.
    „Heiraten?“, rief Line beinahe erschrocken.
    „Nun, du bist fast achtzehn Jahre alt und längst im
heiratsfähigen Alter. Du bist eine junge Frau geworden und die Burschen
verdrehen sich die Köpfe nach dir.“
    Line errötete. „Ich werde eine Heilerin“, sagte sie
bestimmt. „Aber wie soll ich einen anständigen Mann finden, der dazu auch noch
meinen Beruf als Heilerin akzeptieren wird?“
    „Nun, das ist allerdings nicht so einfach. Es ist leichter
einen Brotteig an einen Haken zu hängen als einen wirklich anständigen Kerl zu
finden.“
    „Tatsächlich?“, Line musste lachen. „Dann muss ich den Teig
wohl erst backen? Ein fertiges Brot könnte man durchaus an einen Haken hängen.“
    „Ja, Töchterchen. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.
Eine kluge Frau versteht es, aus einem rohen Teig eine genießbare Backware zu
machen.“ Grete lachte keckernd.
    Line zog die Stirn kraus und grübelte darüber nach, was
Grete mit dieser Bemerkung wohl meinte. Waren es nicht die Männer, die alle
Entscheidungen trafen? Frauen hatten sich unterzuordnen oder zumindest
anzupassen. Wie sollte eine Frau denn ihren Gatten zurechtbacken ?
    „Weißt du, Line, man versucht uns Frauen immer einzureden,
wir hätten keinen Verstand und wären nicht in der Lage, vernünftige
Entscheidungen zu treffen“, sagte Grete, welche die Gedanken hinter der Stirn
des Mädchens lesen zu können schien.
    „In Wahrheit aber sind es oft starke, kluge Frauen, die
hinter erfolgreichen Männern stehen – die allerdings immerhin klug genug waren,
auf den Rat ihrer Frauen zu hören.“
    Lange dachte Line über diese Worte nach. Bisher hatte sie
sich über solche Dinge noch nie Gedanken gemacht. War die Rollenverteilung der
Geschlechter nicht gottgewollt? Der Mann hatte das Sagen, er sorgte

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