Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
Wundsalbe behandelt.
Noch einmal ließ er den Holzeimer in den Brunnen hinab und
zog ihn wieder herauf. Das kalte Wasser erfrischte ihn und weckte seine Lebensgeister.
Es war ein herrliches Gefühl, beim Waschen nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu
sein. Obwohl die Hüftwunde und die Rippen schmerzten, wenn er den Eimer hob,
übergoss er sich immer wieder, bis er sich sauber und erfrischt fühlte.
Er warf den Kopf in den Nacken und stand eine Weile einfach
nur so da, während die Sonne ihn trocknete und er den lauen Wind auf seiner
Haut spürte.
Plötzlich hörte er ein leises Geräusch und fuhr herum. Die
ruckartige Bewegung ließ ihn schmerzhaft zusammenzucken.
Nur ein paar Ellen von ihm entfernt stand das schwarzhaarige
Mädchen mit einem Korb im Arm. Unbemerkt war sie aus dem Wald getreten und
hatte sich ihm so geräuschlos genähert wie ein geschickter Jäger auf der
Pirsch.
Line lächelte ihn keck an und kam langsam auf ihn zu. Conrad
wurde sich plötzlich bewusst, dass er völlig nackt war. Doch das Mädchen senkte
weder beschämt die Augen, noch errötete sie. Sie tat, als wäre es völlig
normal, am helllichten Tag einem nackten Mann am Brunnen zu begegnen.
Der Brunnenrand war viel zu niedrig, um für einen stehenden
Mann als Deckung zu dienen. Da er sich aber sehr albern vorgekommen wäre, wenn
er sich jetzt mangels Kleidung schamhaft mit den Händen bedeckt hätte, tat er
einfach ebenfalls so, als wäre alles normal.
Conrad war die Situation viel peinlicher als dem Mädchen, das
unbedarft näher kam. Er rief sich ins Gedächtnis, dass sie ihn nicht das erste
Mal unbekleidet sah. Schließlich hatten die Frauen ihn nackt gefunden und als
Heilerin war Line sicher daran gewöhnt, Menschen ohne Kleidung zu sehen.
Um seine Verlegenheit zu überspielen, wollte er eine lockere
Bemerkung machen, kam aber ins Stottern. „Schöner Morgen, nicht? Ich - äh,
wollte mich nur ein wenig – ähem -frisch machen“, stammelte er.
Schelmisch sah sie ihn an und ihm kam es so vor, als würde
sie seine Verlegenheit amüsieren.
„Euch scheint es ja schon viel besser zu gehen“, sagte sie
mit ihrer melodischen Stimme. Dann runzelte sie die Stirn. „Aber ich glaube,
ich sollte Euch doch lieber wieder verbinden. Ihr seid zu leichtsinnig, es
könnte Schmutz in die Wunden kommen“, sagte sie tadelnd.
Plötzlich musste er lachen. Die Situation war einfach
grotesk. Er, der mutige, starke Ritter kam ins Stottern, während das junge
Mädchen völlig gelassen blieb und sich nicht einmal schamhaft abwendete.
Stattdessen tadelte sie ihn sogar.
Jetzt zeigte auch das Mädchen ihm ihr strahlendes Lächeln.
Das hätte sie nicht tun sollen. Nun wurde Conrad wirklich
verlegen, denn er spürte plötzlich ein Ziehen in seinen Lenden und drehte sich
schnell um, bevor sie seine erwachende Männlichkeit bemerken konnte. Mit
steifen Beinen stelzte er zurück zur Hütte, wobei er versuchte, seine Blöße nun
doch notdürftig mit den Händen zu verbergen.
Gerade noch rechtzeitig rettete er sich unter die Decke
seines Lagers, als das Mädchen durch die Tür trat und leise vor sich hin
summend zur Kochstelle ging, wo es ihren Korb mit Kräutern, Beeren und Wurzeln
abstellte.
Nichts deutete darauf hin, dass sie seine Pein bemerkt hatte
und Conrad atmete erleichtert auf.
Dann ging sie noch einmal hinaus und kam kurz darauf mit den
schmutzigen Verbänden zurück, die Conrad achtlos abgestreift hatte. Sie hängte
einen kleineren Kessel über den Herd, füllte ihn mit Wasser und tat die
Verbände hinein, um sie auszukochen. Dann holte sie frische Leinenstreifen
hervor und machte sich daran, ihren Patienten neu zu verbinden.
„Es wird nicht mehr lange dauern, dann seid Ihr wieder
völlig gesund. Aber Ihr müsst Geduld haben und warten, bis die Wunden verheilt
sind, sonst könnten sie wieder aufbrechen und sich womöglich sogar entzünden“,
sagte das Mädchen streng, als tadelte sie ein Kind.
Während sie schweigend seine Brust, das rechte Bein und die
Hüfte mit den sauberen Leinensteifen verband, versuchte Conrad noch immer
schamhaft seine Männlichkeit unter der Decke zu verbergen.
Line arbeitete routiniert und geschickt und schien seine
Verlegenheit überhaupt nicht zu bemerken.
Als sie endlich fertig war, atmete er erleichtert auf.
„Wo ist eigentlich Grete?“, fragte er, um etwas
Unverfängliches zu sagen.
„Sie ist noch zu einer Patientin gerufen worden, die vor
kurzem entbunden hat, da brauchte sie mich nicht.“
In
Weitere Kostenlose Bücher