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Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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diesem Moment ging die Tür auf und die Alte kam herein,
mit einer Kiepe auf dem Rücken, die ziemlich schwer zu sein schien.
    Ächzend stellte sie ihre Last ab und rieb sich die
Schultern. Sofort war Line bei ihr und massierte sie mit kundigen Händen, was
Grete mit einem behaglichen Stöhnen quittierte.
    „Ich habe Euch etwas mitgebracht“, sagte sie zu Conrad.
    „Für mich?“, fragte er überrascht.
    „Ja“, murmelte die Alte, „ich hoffe, es passt Euch. Ist zwar
nicht ganz standesgemäß, aber bequem.“
    Mit diesen Worten holte sie ein Bündel aus der Kiepe hervor,
wickelte es auseinander und packte zu Conrads großem Erstaunen eine Bruche, ein
leinenes Hemd und Beinkleider aus. Sogar ein paar derbe Sandalen förderte sie
zutage. Ein langer Mantel aus grauer Schafswolle und eine Gugel mit Kapuze
vervollständigten die Ausstattung.
    Conrad war fassungslos. Die beiden Frauen hatten ihm das
Leben gerettet, ihn in ihrem Heim aufgenommen und ihn aufopfernd gepflegt. Nun
opferte die Alte auch noch einen Teil ihres kargen Lohnes für ihn.
    Dieses Geschenk beschämte ihn. Jetzt konnte er daran denken,
die Hütte zu verlassen, um sich vielleicht endlich nützlich zu machen, und sei
es nur dadurch,  Holz für den Winter zu sammeln.
    Line freute sich mit ihm, als sie seine strahlenden Augen
sah. Sie ging zum Herd und holte ein Messer hervor, das sie oben auf den
Kleiderstapel legte. Es war zum Sammeln von Kräutern und Pilzen bestimmt und
als Waffe wenig geeignet, dennoch freute er sich so sehr darüber wie als
Vierjähriger über sein erstes kleines, stumpfes Schwert.
    „Ich weiß nicht, wie ich Euch das jemals vergelten soll“,
sagte er gerührt, „das werde ich euch niemals vergessen.“
    Sofort probierte Conrad die Sachen an und stellte fest, dass
sie tatsächlich passten. Der Mantel war ihm etwas zu weit, aber das machte
nichts.
    Er drehte sich einmal um die eigene Achse, als wolle er sich
von den Frauen bewundern lassen. Dann lächelte er glücklich wie ein beschenktes
Kind zu Weihnachten.
    Um die Augen der Alten bildeten sich tausend Fältchen, als
sich ihr Mund breit zog und sie ein paar einzelne braune Zähne entblößte. Es
war das erste Mal, dass er die Alte lächeln sah.
    Line beobachtete den jungen Ritter und freute sich mit ihm.
Als er sie anlächelte, errötete sie leicht. Sie wusste selbst nicht, warum sie
sich in der letzten Zeit in seiner Gegenwart so merkwürdig und unsicher fühlte.
Es war ein intensives Gefühl, eine Art freudiger Erregung, die sie immer mehr
verwirrte. Sie konnte sich dem Zauber seiner strahlenden blauen Augen einfach
nicht entziehen und wenn er sie anlächelte, bekam sie ein flaues Gefühl im
Magen und ihre Knie wurden weich.
    Line wollte nicht an den Tag denken, der unweigerlich kommen
musste und an dem er gehen würde, so als wäre er nie hier gewesen. Zum Glück
stand der Winter bevor und sie konnte hoffen, dass er vor dem Frühjahr nicht
aufbrechen konnte. Der Winter war gefährlich, er machte die Wege fast
unpassierbar, ließ die Flüsse anschwellen und machte das Reisen damit fast
unmöglich.
    Während sie in Gedanken versunken war, bemerkte sie
plötzlich, dass die alte Grete sie merkwürdig ansah und dann besorgt die Stirn
in Falten legte.
    „Was hast du, Großmutter?“, fragte sie.
    „Nichts, mein Kind“, erwiderte sie, wandte sich um und
begann, das Abendessen vorzubereiten. Dabei machte sie sich ihre Gedanken. Mit
zunehmender Besorgnis hatte sie die Veränderung im Verhalten ihres Schützlings
bemerkt. Das Mädchen war fast im heiratsfähigen Alter, zeigte aber bisher
keinerlei Interesse an den Burschen, die ihr hinterher pfiffen oder sie mehr oder
weniger unbeholfen ansprachen. Die meisten jungen Männer aus den umliegenden
Dörfern hatten großen Respekt vor ihren Fähigkeiten als Heilerin und begegneten
ihr deshalb mit einer gewissen Scheu.
    Auch die alte Heilerin war nicht selten erstaunt über Lines
Fähigkeit, Kranken allein durch Handauflegen und guten Zuspruch wirkungsvoller
zu helfen als sie selbst es mit all ihren Heilkünsten vermochte. Die Alte war
sicher, dass dieses Mädchen gesegnet war. Schon als sie damals zu ihr kam,
erkannte sie sofort, dass dieses Mädchen etwas Besonderes war. Viele Wehmütter
hatten wie sie die Fähigkeit, solche Menschen zu erkennen, aber sie hütete sich
davor, jemals darüber zu sprechen.
    Keinen Tag hatte sie bereut, Line bei sich aufgenommen zu
haben. Sie war ihr zu einer unentbehrlichen Hilfe bei der
Versorgung

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