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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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Beschimpfungen
angeht.“
    Bella bekam plötzlich einen traurigen Blick. „Ich war nicht
immer hier, musst du wissen. Früher war ich in einem billigen Hurenhaus. Der
Wirt hatte mich halb verhungert vor den Toren der Stadt aufgelesen.
    Unsere Bauernkate war nach einem Blitzeinschlag abgebrannt
und meine Eltern und Geschwister in den Flammen umgekommen. Ich lebe nur noch,
weil ich gerade nicht zu Hause war. Ich verließ mein Heimatdorf, um in der
Stadt mein Glück zu finden. Ich war so dumm.“
    Line legte tröstend einen Arm um Bellas schmale Schulter,
als diese wie ein Häufchen Unglück von ihrem Leben im Hurenhaus erzählte.
    „Zunächst hat der Hurenwirt mich ‚eingeritten’, wie er es
nannte. Das war vor vier Jahren. Ich war noch nicht einmal dreizehn Jahre alt.“
    Line sah sie entsetzt an.
    „Dann musste ich täglich mehreren ungewaschenen Kerlen zu
Willen sein. Als ich krank wurde, brachte mich der Wirt zum Medicus. Er wollte
nicht, dass ich in seinem Haus starb – das wäre nicht gut für seinen Ruf
gewesen - als ob dieser hätte noch schlechter werden können, als er ohnehin
schon war.“
    Beide Mädchen hatten die Lappen beiseitegelegt und sich auf
die unterste der Schwitzbänke gesetzt.
    „Der Medicus untersuchte mich und stellte Unterernährung und
Verletzungen fest, die von den Schlägen des Hurenwirts stammten. Während er
mich untersuchte, kam unser Herr herein. Er war leicht an der Hand verletzt und
der Medicus kümmerte sich sofort um ihn. 
    Godefroy wurde auf mich aufmerksam. Das war mein Glück. Als
der Herr meine Verletzungen sah, gab er dem Hurenwirt eine Backpfeife und ein paar
Münzen. Dann nahm er mich mit. Hier wurde ich wieder ganz gesund.“
    Jetzt legte Line einen Arm um Bellas Schultern, die es
geschehen ließ.
    Geschockt dachte Line darüber nach, was dieses Mädchen, dass
sich Bella – die Schöne – nannte, trotz ihrer Jugend schon durchgemacht hatte.
Gegen dieses Schicksal hatte sie selbst bisher beinahe Glück gehabt. Bisher hatte
die Jungfrau Maria sie vor dem Schlimmsten bewahrt.
    Aber durch ihre Schuld war ein Mensch gestorben und sollte
die Stadtwache sie in die Hände bekommen, erwartete sie der Galgen.  
    „Du fragst dich sicher, warum ich mich entschieden habe,
auch hier als Dirne zu arbeiten“, sagte Bella und sah Line an. „Glaub mir, es
ist etwas völlig anderes. Hier sind wir keine rechtlosen Sexsklavinnen
skrupelloser Kerle. Wir sind Venusdienerinnen, wir erfüllen Wünsche, die unsere
Gäste von ihren Eheweibern nicht erhoffen können. Aber es ist nicht nur
körperliche Befriedigung, die unsere Gäste hier suchen. Wir hören ihnen zu,
teilen ihre Ängste und Nöte. Sie vertrauen uns Dinge an, die sie nicht einmal
ihren Freunden erzählen, schon gar nicht ihren Gattinnen. Und sie wissen, dass
ihre kleinen und großen Geheimnisse bei uns sicher aufgehoben sind, denn wir
sind verschwiegener als ein Priester nach der Beichte. Diskretion ist unsere
wichtigste Regel. Wer dagegen verstößt, darf dieses Haus niemals mehr
betreten.“
    Eine Weile schwieg Bella. Dann fuhr sie fort: „Ich habe
großes Glück gehabt. Es geht mir gut. Ich muss weder hungern noch frieren, habe
schöne Kleider und muss nicht einmal schwer arbeiten.“
    „Bist du glücklich hier?“, fragte Line.
    „Glücklich?“ Bella lachte kurz auf und ein Schatten legte
sich auf ihr Gesicht. „Ach, Caroline, wie könnte ich glücklich sein, meinen
Körper jeden Tag wieder und wieder verkaufen zu müssen, bis ich vielleicht
eines Tages so viel Geld zusammengespart habe, dass ich mir ein eigenes Leben
aufbauen kann? Dabei weiß ich, dass ich es niemals schaffen werde. Je älter ich
werde, desto weniger werde ich verdienen.“
    „Wie lange musst du denn – äh – sparen, um…“
    „Um frei zu sein? Das ist schwer zu sagen. Das Einkommen ist
sehr unterschiedlich, aber immerhin verdiene ich weit mehr als eine Magd.“
    Dann erfuhr Line, wie die Abrechnung erfolgte. Die Kunden
zahlten im Voraus an den Herrn oder an Martha, welche die älteste der Dirnen
war. Die Einnahmen kamen in eine verschlossene Geldtruhe mit drei Schlössern.
Einen Schlüssel besaß Godefroy, den zweiten Martha und den dritten die
Lohnsetzerin, die aus den Reihen der Dirnen in dieses Amt gewählt wurde und ab
und zu wechselte.
    Da die Truhe nur von allen dreien geöffnet werden konnte,
was jeden Samstag im Beisein aller Dirnen geschah, war gesichert, dass niemand
betrügen konnte. Jedes Mal war auch ein Beamter der Stadt

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