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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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aufsuchen, das an die Badestube anschloss und hatte
sich weintrunken in der Tür geirrt.
    Der nur mit einem Badetuch bekleidete Mann starrte Line, die
vor Schreck wie gelähmt im Flur stand, einen Augenblick lang an und griff
plötzlich nach ihrem Arm. Schnell entwand sie sich ihm und wollte weggehen,
aber er packte sie an den Hüften.
    „Wo willschu dennin, meine Sch-höne?“, lallte er. Sein Atem
roch nach Wein und er torkelte bereits ein wenig. „Komm“, befahl er in der
Annahme, sie wäre eine der Dirnen und zog sie in die Badestube, „leische mir
ein bischn Gesellschahaft. Dich hab ich ja noch nie hier geschehn.“
    Line wusste nicht, was sie tun sollte. Auf keinen Fall
wollte sie Aufmerksamkeit erregen. Zum Glück war der Wasserdampf im Baderaum so
dicht, dass man nicht viel sehen konnte. Der Mann, der zwar kleiner war als
Line aber dafür doppelt so breit, hielt ihr rechtes Handgelenk umklammert und
führte sie zu einem der Badezuber.
    Hier ließ er sein Handtuch fallen und stieg in den Bottich,
ohne das Mädchen los zu lassen. Line wandte sich ab, als er sich entblößte.
    „Jess schieh schon deine Glamodden aus un komm ins Wasser“,
verlangte er.
    Line sah sich Hilfe suchend um und suchte krampfhaft nach
einem Ausweg. Hassan konnte sie nirgends entdecken. Die anderen Mädchen in der
Badestube waren mit ihren Kunden beschäftigt. Alle waren fast oder ganz nackt,
zum Teil saßen sie zusammen mit den Freiern in den Zubern. Es herrschte eine
ausgelassene Stimmung. Was sollte sie nur tun?
    Plötzlich tauchte Bella auf, nur mit einem hauchdünnen
Baumwollhemdchen bekleidet. Der aus extra dünnen Fäden großmaschig gewebte
Stoff war fast durchsichtig, er betonte mehr als er verhüllte und verfehlte die
Wirkung auf den angetrunkenen Freier nicht.
    Sein gieriger Blick wanderte von Line zu Bella, die ihn
kokett anlächelte. Lasziv stellte sie ein Bein auf den Zuberrand und zog sich
aufreizend langsam ihren bis über das Knie reichenden Füßling aus, wobei sie
Line unauffällig einen Wink gab.
    Während Line sich langsam zurückzog, wiederholte Bella die
Prozedur mit dem anderen Bein. Endlich erreichte Line die rettende Tür. Als sie
sich noch einmal umsah, sah sie das zarte, blonde Mädchen gerade in den Zuber
steigen, wobei Bella ihr Hemd höher als nötig raffte und damit den Blick auf
ihre Reize frei gab. Der Kunde hatte Line längst vergessen und griff mit seinen
fleischigen Händen nach der blonden Schönen.
    Wieder im Hausflur angekommen, atmete Line erleichtert auf.
Noch mehr als die Erwartungen des Kunden, die sie nicht zu erfüllen bereit war,
hatte sie sich davor gefürchtet, von einem der Freier erkannt zu werden. Hier
verkehrten nicht wenige Kunden, die den Tuchhändler gekannt hatten und die sich
vielleicht an sie erinnerten.
    Von nun an sah sie sich besser vor und zog sich noch weiter
zurück. Wenn die Badestube geöffnet war, befand sie sich meistens in der Küche
oder den hinteren Räumen.
    Line hatte sich im Badehaus eingewöhnt. Das Essen war gut
und reichlich, alle waren freundlich zu ihr.
    Längst hatte sie erkannt, dass der rabenschwarze Hassan, vor
dem sie sich am Anfang fürchtete, ein gutmütiger Kerl war, den die Mädchen um
den Finger wickelten. Seine Stimme war so dunkel, als würde er aus einem hohlen
Baum heraus sprechen. Aber sie hatte etwas Beruhigendes und er sprach in einem
merkwürdigen Singsang, als hätte er ständig eine Melodie im Kopf.
    „Manche Menschen haben eine weiße Hautfarbe und eine schwarze
Seele, bei Hassan ist es umgekehrt“, hatte Bella einmal treffend gesagt. 
    Wenn die Kunden wegen übermäßigen Weingenusses
herumkrakelten oder auf andere Weise über die Stränge schlugen, genügte meist die
imposante Erscheinung des schwarzen Riesen, um sie zur Räson zu bringen. Sollte
es nötig sein, packte er den uneinsichtigen Kunden einfach mit seinen starken
Armen und beförderte ihn mit sanfter Gewalt vor die Tür. 
    Wäre da nicht die ständige Angst gewesen, von den Bütteln
entdeckt zu werden, weshalb sie sich kaum auf die Straße traute, hätte Line
zufrieden sein können.
        
    *
           
    Seit Wochen fieberten die Bewohner des Badehauses dem Christfest
entgegen. Endlich war es so weit.
    Das Haus durfte über die Feiertage nicht öffnen und das
Gesinde feierte unchristlich ausgelassen die Geburt des Heilands. Cavaliere
Godefroy de Colleoni ließ es sich nicht nehmen, für ‚seine Damen’ ein Festmahl
auszurichten, das einem Grafen zur Ehre

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