Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
dabei, der die
fällige Steuer sowie die Pacht für das Haus kassierte. So füllte sich der
Stadtsäckel und alle waren zufrieden, zumal die Ratsherren selbst zu den besten
Kunden des Etablissements zählten.
Der größte Teil der Einnahmen ging natürlich an den
Hausherrn, der davon nicht nur alle Unterbringungs- und Verpflegungskosten
sowie Kosten für Kleidung und Hygiene bestreiten musste, sondern auch die
laufenden Betreibungskosten, die vor allem wegen des enormen Holzbedarfs für
die Heizung nicht unerheblich waren.
Einen weiteren Teil bekamen die Bediensteten, welche keine
Hurendienste leisteten. Schließlich wurde der Rest an die Dirnen verteilt, und
zwar entsprechend der Anzahl ihrer Freier.
Jedes der Mädchen hatte dazu ein halbes Kerbholz in ihrem
Besitz, von dem Marta das jeweilige Gegenstück besaß. Für jeden Freier wurde
eine Kerbe in beide Teile geritzt. Hatte ein Mädchen in einer Woche wegen
Krankheit oder ihrer unreinen Tage keine Kerbe in ihrem Holz, ging sie leer
aus. Freie Unterkunft und Verpflegung bekam sie trotzdem.
Zusätzliche Zahlungen für Sonderdienste durften die
Venusdienerinnen behalten, ebenso wie gelegentliche persönliche Geschenke der
Freier.
Line fragte lieber nicht, was mit Sonderdiensten gemeint war.
„Ich habe einen Traum“, vertraute Bella ihr an. „Ich möchte
so leben wie andere Frauen, möchte einen anständigen Mann heiraten und viele
Kinder bekommen.“
„Warum gehst du dann nicht weg von hier und suchst dir eine
Arbeit?“
Bella lachte. „Du bist wirklich naiv, Caroline. Niemand
stellt ein Mädchen ein, das als Hure gearbeitet hat. Für Unsereins bleibt nur
dieses Leben. Aber in diesem Haus geht es uns besser als in jedem anderen
Hurenhaus.“
Line verstand. Für dieses Mädchen gab es keine Alternative,
als sich mit dem Leben im Badehaus zu arrangieren. Bella tat ihr leid.
Gleichzeitig wusste sie, dass sie selbst einen anderen Weg wählen wird. Auch
wenn sie hier vorläufig sicher war, wollte sie nicht länger bleiben als
unbedingt nötig. Irgendwie musste es ihr gelingen, heimlich die Stadt zu
verlassen. Schließlich konnte sie sich nicht immer verstecken.
Magda gab sich in den folgenden Tagen alle Mühe, Line in die
Geheimnisse der käuflichen Liebe einzuweihen und sie wenn möglich als Venusdienerin
zu gewinnen. Line zeigte zwar Interesse für die Sorgen und Nöte der Dirnen,
aber sie wollte offensichtlich keine von ihnen werden.
Die Mädchen amüsierten sich über die Schamhaftigkeit der
schönen, jungen Frau, die nach wie vor die Badestube nur betrat, wenn kein
Gast zugegen war. Am Abend, wenn es dort hoch herging, ließ sie sich nicht
blicken.
Der Hausherr wurde indessen langsam ungeduldig und ärgerte
sich über die Tugendhaftigkeit seines neuen Schützlings. Er hatte auf gute
Gewinne mit dem hübschen Mädchen gehofft.
Eines Tages jedoch stellte sich heraus, welch guten Fang er
dennoch mit dem dunkelhaarigen Mädchen gemacht hatte, auch wenn sie ihren
Körper nicht verkaufen wollte.
Es begann damit, dass eines der Mädchen Bauschmerzen bekam,
die Line mit einem Gebräu aus Fenchel, Koriander und Thymian kurierte. Als eine
Andere über eine Entzündung an ihren empfindlichsten Stellen klagte, was in
diesem Gewerbe nicht selten vorkam, bereitete Line ihr eine Salbe zu, die die
Rötungen und Schwellungen innerhalb von drei Tagen abklingen ließ.
Die Mädchen waren begeistert. Die Salbe vom Apotheker, die
sie sonst verwendeten, half nicht halb so gut.
Für Godefroy de Colleoni war das Gold wert, denn jeder Tag,
den ein Mädchen ausfiel, bedeutete einen herben Verlust. Nicht selten wurden
Gäste höchst ungehalten, wenn sie bei den Preisen, die sie zahlten, nicht ihre
Lieblingsdirne bekamen.
Stillschweigend übernahm Line auch das morgendliche Säubern
der Badestube. Die Mädchen waren ihr sehr dankbar, sich mit dieser unliebsamen
Arbeit nicht mehr abwechseln zu müssen. Line war immer hilfsbereit und scheute
keine Arbeit. So war sie schon bald zur guten Seele des Badehauses geworden und
fühlte sich immer mehr dazugehörig.
Nachdem Line bereits mehrere Wochen im Badehaus verbracht hatte
und sich zunehmend sicherer fühlte, ereignete sich ein Zwischenfall, mit dem
sie nicht gerechnet hatte.
Gerade kam sie auf dem Weg zur Küche an der Tür zur
Badestube vorbei, in der ein reges Treiben herrschte, als plötzlich die Tür
aufging und ein nicht mehr ganz nüchterner Gast heraus trat. Wahrscheinlich
wollte er das heimliche Gemach
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