Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
wollte…“, setzte der Junge an, der es nun
plötzlich doch mit der Angst bekam.
„…zu deiner Schwester Antonia, ich weiß“, ergänzte Conrad.
Bei der Nennung des Namens leuchteten die Augen des Jungen
auf. „Ihr kennt sie, Herr?“
„Ich kenne sie sehr gut“, erwiderte der Ritter lächelnd.
„Und du musst Geronimo sein, ich habe schon viel von dir gehört.“
Nun, viel war etwas übertrieben, denn Antonia sprach
so gut wie nie über ihren verlorenen Bruder. Es war, als fühlte sie sich schuldig
an seinem vermeintlichen Tod.
Die Augen des Jungen wurden so groß wie Mühlräder. „Ihr habt
von mir gehört?“, fragte er ungläubig.
Aufgeregt trabte der Junge neben Conrad her, als sie den
Burghof betraten. Seine Augen schienen überall gleichzeitig zu sein. Am
gegenüberliegenden Tor, das zum inneren Hof führte, sah Conrad plötzlich
Antonia mit zwei Wassereimern auftauchen.
Beide Geschwister blieben abrupt stehen. Dann rannten sie
aufeinander zu. Die Wassereimer fielen zu Boden und ergossen ihren Inhalt in
den Burghof.
Lächelnd sah Conrad, wie die beiden sich in die Arme flogen.
Antonia wirbelte ihren Bruder herum, dann tat er dasselbe mit ihr, obwohl das
Mädchen viel größer war als er. Für sein Alter war der etwa zehnjährige Bengel
erstaunlich kräftig. Seine Schultern waren bereits jetzt breiter als die seiner
älteren Schwester.
„Natürlich“, murmelte Gerold, der neben Conrad stand und
fasste sich an die Stirn. „An die neue Magd habe ich gar nicht gedacht.“
„Nein, sonst wäre dir die Ähnlichkeit sofort aufgefallen“,
stellte Conrad fest. Obwohl die neue Magd bereits mehrere Wochen hier
ist, dachte er. Aber Antonia verstand es tatsächlich, sich so unauffällig zu
verhalten, als wäre sie unsichtbar.
Erst jetzt, als er die Geschwister genauer betrachtete, fiel
Conrad auf, dass Antonia gar nicht mehr so jungenhaft wirkte wie noch vor
einigen Wochen. Ihre Haare waren gewachsen und langsam begann sie, weibliche Formen
zu entwickeln. Ihre kleinen, festen Brüste zeichneten sich deutlich unter ihrem
Kleid ab und ihre Hüften begannen sich langsam zu runden.
Da musste erst ihr Bruder auftauchen, bis ich sie wirklich
als weibliches Wesen betrachte, dachte Conrad bei sich.
„Wie hast du mich gefunden?“, hörte er Antonia fragen.
Geronimo redete auf sie ein wie ein Wasserfall, wobei seine
Stimme sich fast überschlug. Er wollte alles auf einmal erzählen. Antonia
musste ihn bremsen, um überhaupt etwas zu verstehen.
Conrad war langsam auf die Geschwister zugegangen und schnappte
ein paar Wortfetzen auf, während er näher trat.
„…eine Frau…hat gesagt…Breuberg…“
„Was für eine Frau?“, fragte Antonia.
Der Junge zuckte mit den Achseln. „Ich kenne sie nicht. Sie hatte
schwarze Haare…“
„Eine Zigeunerin, oder eine Wahrsagerin?“, vermutete
Antonia.
„Nein“, Geronimo schüttelte mit dem Kopf. „Sie gehörte nicht
zum fahrenden Volk.“
Conrad horchte auf. Eine leise Hoffnung keimte in ihm auf.
„Wie genau hat diese Frau ausgesehen?“, wollte er wissen und sprach dabei lauter
als beabsichtigt.
„Sie, äh, sie war sehr hübsch, und noch jung, glaub ich…“,
stammelte der Junge eingeschüchtert.
„Du hast gesagt, sie hätte schwarze Haare gehabt?“, hakte
Conrad nach.
„Ja, sie trug eine Haube und eine Kapuze. Aber die Haube war
verrutscht, darunter waren schwarze Haare zu sehen. Und ihre Augen waren auch
schwarz, und sehr groß.“
Hat sie dir ihren Namen gesagt?“, fragte Conrad alarmiert.
„Nein. Aber die Frau hat gesagt, Antonia ist ihre Freundin.“
Jetzt war Conrad klar, dass es nur Line gewesen sein konnte.
„Wo ist sie?“, fragte er eindringlich und packte den
erschrockenen Jungen an den Schultern.
„W-was wollt Ihr von ihr, Herr?“, fragte er, plötzlich
vorsichtig geworden.
„Ritter Conrad sucht diese junge Frau“, mischte Antonia sich
begütigend ein, „er will ihr nichts Böses.“
„Wir waren in Wetzlar“, berichtete Geronimo, „dort hat die
Frau mich angesprochen und gesagt, sie kennt meine Schwester und sie hat mir
gesagt, Antonia ist in Breuberg.“
„Wer ist wir ?“, wollte Antonia wissen.
„Unsere Gauklertruppe. Ich bin schon ein paar Wochen mit
ihnen herumgezogen. Sie haben mich zusammen mit Pippolino dem Zwerg im Wald
aufgelesen und uns zu Essen gegeben. Weil ich auf einem Seil laufen kann und
Pippolino sehr spaßig ist, haben sie uns in ihre Gruppe aufgenommen. Aber dann
bin ich weggelaufen,
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