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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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sie fliehen sollte. Zum
Badehaus konnte sie nicht zurück, solange ihr die Büttel folgten. Sie musste
versuchen, aus der Stadt zu verschwinden. Dazu galt es jedoch, zunächst ihre
Verfolger abzuschütteln. Noch immer hörte sie die hysterischen Schreie ihrer
ehemaligen Herrin hinter sich, als sie in eine enge Gasse einbog. Schon hörte
sie schwere Stiefeltritte hinter sich und Panik ergriff sie. Links tauchte ein
schmaler Durchgang auf. Line schlüpfte hindurch und war in der nächsten Gasse
gelandet. Sie hastete weiter und wechselte ständig die Richtung, um ihre
Verfolger zu verwirren. An einer Weggabelung verstummten kurzfristig die
Schritte der Büttel und entfernten sich dann von ihr.
    Atemlos hielt das Mädchen an und atmete ein paar Mal tief
durch. Aber sie wusste, dass sie sich keine längere Verschnaufpause gönnen
konnte. Sie passierte noch einige Gassen kreuz und quer und kam auf eine
größere Straße, die direkt zum nördlichen Stadttor führte. Jetzt musste sie die
Nerven behalten, um nicht aufzufallen. Mit schnellen Schritten und den Kopf
tief gesenkt ging sie auf das Tor zu, neben dem zwei gelangweilte Wachen
standen. Von ihren Verfolgern war nichts zu sehen.
    Line hatte das rettende Tor fast erreicht, als sie plötzlich
aus einer Seitengasse die beiden Büttel auftauchen sah, die sich suchend
umsahen und sie schließlich entdeckten.
    Nur wenige Schritte trennten sie noch vom Tor und sie begann
wieder zu laufen.
    „Haltet sie!“, hörte sie die Büttel ihren Kameraden zurufen.
    Der jüngere der Torwächter reagierte sofort und trat ihr in
den Weg. 
    Im vollen Lauf stieß Line mit ihm zusammen und der Wächter
strauchelte rückwärts. Das Mädchen rannte weiter, aber sie kam nicht weit. Der
zweite Wächter rammte ihr schmerzhaft den Schaft seiner Pike in die Seite, so
dass ihr die Luft weg blieb und sie sich zusammenkrümmte. Im nächsten Moment
wurde sie von starken Armen gepackt.
    Line schrie, schlug um sich und strampelte verzweifelt. Aber
sie wurde unerbittlich festgehalten. Irgendwann brach ihr Widerstand zusammen
und sie ließ sich willenlos abführen. 
    Zunächst brachte man sie zum Rathaus, wo sie eine Nacht im
Kellergewölbe eingesperrt wurde und bereits am nächsten Morgen dem Stadtrichter
Dr. Jeronimus Schwarz vorgeführt wurde.
    Der Richter war eine stattliche Erscheinung. Würdevoll baute
er sich vor Line auf und fragte sie streng, ob sie sich zu dem Vorwurf äußern
wolle, den die ehrenwerte Witwe Schindel vorgetragen habe.
    Line sah keinen Sinn darin zu leugnen, beteuerte aber, es
hätte sich um einen Unfall gehandelt. Sie gab zu, den Tuchhändler angegriffen
zu haben, aber sie habe ihn nicht töten wollen.
    Auch Godefroy de Colleoni wurde vorgeladen, weil einige
Zeugen die Dirnen des bekannten Badehauses in Begleitung des Mädchens gesehen hatten.
Der Badehausbetreiber behauptete natürlich, von alldem nichts gewusst zu haben,
er hätte das Mädchen auf der Straße aufgelesen und ihr aus Barmherzigkeit
geholfen. Dabei warf er ihr einen bedauernden Blick zu.
    Line bestätigte diese Version, um ihren Gönner nicht in
Schwierigkeiten zu bringen. Einer gesuchten Mörderin Unterschlupf zu gewähren
war kein leichtes Vergehen.
    Nach der Befragung wurde sie unter strenger Bewachung in den
Turm gebracht und in eine düstere, stinkende Zelle gesperrt. Erschöpft ließ sie
sich auf dem mit Stroh bedeckten Boden nieder, das schon lange nicht mehr
erneuert worden war. Aus einer Ecke hörte sie raschelnde Geräusche, vielleicht
war es eine Ratte.
    Kurz schloss sie die Augen. Ihre Situation war aussichtslos,
da machte sie sich keine Illusionen. Man würde sie zum Tode verurteilen, denn
sie war eine Mörderin. Auch wenn es Notwehr und ein Unfall war, hatte sie sich
mit ihrer überstürzten Flucht keinen Gefallen getan. Aber das war jetzt auch
schon egal. Sie hatte alle Menschen verloren, die sie geliebt hatte. Ihr Leben
war aus den Fugen geraten und hatte seinen Sinn verloren.
    Inständig hoffte sie, dass Geronimo seine Schwester finden
möge, dann hätte das Ganze wenigstens noch etwas Gutes.
    Sie lehnte sich an die feuchte Wand und grübelte noch eine
Weile über ihr verpfuschtes Leben nach, dann nickte sie ein.

IX
Der Bote
    Hartungmond Anno 1230
                                                                                              
    Weihnachten war bereits vorüber und das neue Jahr hatte
begonnen.

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