Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
aber vielleicht war das in diesem Etablissement so
üblich.
„Woher weißt du, dass ich ein Ritter bin?“, fragte er etwas
dümmlich.
Das Mädchen lachte. „Du siehst nicht wie ein Kaufmann aus
und schon gar nicht wie ein Schreiber. Sie fasste an seinen Oberarm. „Du bist
ein Kämpfer.“
„Weißt du, Bella, ich bin eigentlich hier, um – äh.“
„Um zu baden?“, half Bella nach.
„Ich bin hier, weil ich ein Mädchen suche…“, setzte Conrad
noch einmal an und räusperte sich.
„Nun, deshalb kommen alle Gäste her. Du hast es gefunden.“
„Nein – äh – ich meine - noch nicht…“
„Gefalle ich dir denn nicht?“
„So meinte ich das nicht. Du bist das schönste Mädchen, das
mir je begegnet ist. Aber mein Herz gehört einer anderen.“
Bella schaute zunächst etwas verständnislos drein, dann ließ
sie wieder ihr silberhelles Lachen hören. „Aber das ist doch kein Problem. Du
musst kein schlechtes Gewissen haben, denn ich werde dein Herz nicht rauben.“
Ihre Fußspitze streichelte spielerisch seinen Schenkel. „Nur
ein wenig erwärmen“, setzte sie gurrend hinzu.
„Du verstehst mich nicht.“ Conrad atmete tief durch und nahm
erst einmal einen Schluck Wein, der auf einem Brett bereit stand. Sein Körper
reagierte fast schmerzhaft auf die Verführungskünste dieser blonden Schönheit. Was
mache ich hier bloß, dachte er verzweifelt.
„Ich habe nach dir gefragt, weil ich glaube, dass du sie
kennst“, setzte er noch einmal an. „Ich suche ein Mädchen namens Line.“
Bellas Gesichtsausdruck wechselte schlagartig. Ihr
professionelles Lächeln verschwand. Skeptisch musterte sie den jungen Mann.
„Ihr meint Caroline? Ein schwarzhaariges Mädchen mit großen,
traurigen Augen?“
„Ja.“ Conrad brachte nur ein Wort heraus, sein Mund war
plötzlich trocken. Er räusperte sich. „Du kennst sie?“
„Wie ist Euer Name?“, fragte Bella.
„Conrad von der Lühe.“
„Oh mein Gott“, Bella schlug die Hände vor den Mund, „dann
seid Ihr der junge Ritter, an den Line ihr Herz verloren hat?“
Conrads Herz machte einen Sprung, als er diese Worte hörte.
„Sie hat dir von mir erzählt?“
„Das hat sie. Aber nur ich kenne ihre Geschichte.“
„Ist sie in diesem Haus, ich meine, ist sie…“
„Eine Venusdienerin? Nein, Herr. Sie war eine unserer
Küchenhilfen.“
Conrad atmete merklich auf. Dann hakte er nach. „War?“
Bella senkte sie den Blick. „Ihr seid zu spät gekommen,
Herr. Sie ist im Kerker, im Hungerturm.“
„Was?“ Conrad war fassungslos. Er merkte nicht, dass seine
Hände sich in den Rand des Badezubers gekrallt hatten.
„Man wirft ihr vor, den Tuchhändler erschlagen zu haben. Man
hat sie bereits verurteilt. Sie wartet auf ihre Hinrichtung. Ihr könnt nichts
mehr für sie tun“, Bella seufzte. „Es ist zu spät.“ Tränen liefen über ihr
hübsches Gesicht.
Mechanisch schüttelte Conrad den Kopf. Ihm war, als würde
die Welt um ihn herum einstürzen. Das konnte doch nicht sein, das durfte
einfach nicht wahr sein.
„Nein“, brachte er heiser hervor.
„Es tut mir sehr leid, Herr“, schluchzte Bella.
„Aber wie… warum…?“, stammelte Conrad.
„Der Tuchhändler war ein Wüstling. Er hat sich an einer Magd
vergreifen wollen, Line hat ihr geholfen und er ist eine Stiege
heruntergestürzt und hat sich seinen verdammten Schädel aufgeschlagen.“
„Dann war es ein Unfall?“
„Sicher, aber wen interessiert das? Sie ist nur eine arme
Magd, ohne männlichen Beistand. Der Kerl ist tot, nur das zählt. Auf Totschlag
steht der Tod“, sagte Bella verbittert.
„Sie konnte fliehen“, erzählte sie dann weiter, „unser Herr
Godefroy hat sie hier aufgenommen. Hier war sie eine Weile sicher. Aber als wir
Weihnachten zur Kirche gingen, hat die Tuchmacherin sie erkannt. Die Büttel
haben sie mitgenommen. Mehr weiß ich leider nicht. Es heißt, der Stadtrichter
Dr. Jeronimus Schwarz hat die Untersuchung geleitet und das Urteil gesprochen.“
„Dann hat er sich geirrt!“, brauste Conrad auf. Er atmete
tief durch und fügte in normaler Lautstärke hinzu: „Wo finde ich diesen
Richter?“
„Im Rathaus. Aber er wird Euch nicht empfangen“, erwiderte
Bella traurig. Dann kam ihr eine Idee: „Aber unser Herr kennt Dr. Schwarz sehr
gut, vielleicht kann er Euch helfen, bei ihm vorzusprechen. Ich werde Euch ihm
vorstellen, wenn Ihr wollt.“
„Dann lasst uns keine Zeit verlieren“, Conrad stand bereits
auf, um aus dem Zuber zu
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