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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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Abends, als Line am Ufer des kleinen Flüsschens saß
und verträumt auf das Wasser schaute, kam Conrad zu ihr und setzte sich neben
sie. Sie spürte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, wollte aber nicht in ihn
dringen.
    Nach einer Weile räusperte er sich. „Line, ich habe – also
damals auf dem Markt – ich meine in Memmingen – da habe ich mir ein paar
Pfennige verdient beim Abladen…“
    Wieder räusperte er sich.
    „Also, was ich sagen wollte, ich habe damals ein kleines
Geschenk - ich wollte es dir schon lange geben…“
    „Ein Geschenk? Für mich?“ Lines Augen leuchteten.
    „Naja, es ist nur – äh – ein billiges Band…“ Mit diesen
Worten holte er ein verknittertes Schleifenband aus der Tasche und hielt es ihr
linkisch hin.
    „Es ist wunderschön“, sagte Line.
    „Es ist nur aus Leinen“, gab er etwas verlegen zurück. „Ich
hätte dir lieber eines aus Seide gekauft, aber…“
    Aber es ist wirklich wunderschön“, beharrte Line und begann
sofort, es sich in die Haare zu binden. „Ich habe noch nie ein schöneres
Geschenk bekommen.“ Sie strahlte ihn an.
    Conrad konnte es nicht fassen. Wie konnte sie sich über so
ein billiges Band freuen?
    Fast hätte er gar nicht gewagt, es ihr zu schenken. Aber
dann begriff er. Es war nicht das Band, es war die Geste. Sie freute sich
darüber, dass er damals an sie gedacht und von seinem kargen Lohn etwas für sie
gekauft hatte. Ebenso gut hätte er eine völlig verwelkte Blume oder einen
zerbröselten Keks hervorholen können, sie hätte sich genauso gefreut.
    Viele Stunden verbrachten Line und Conrad in den nächsten
Tagen am Ufer der Mömling, eng aneinander gekauert und in eine dicke Decke
eingewickelt. Manchmal unterhielten sie sich, manchmal schwiegen sie einfach
nur und genossen das Beisammensein.
    Conrad legte oft den Arm um sie, als wolle er sie schützen.
Aber er machte keinerlei Anstalten, mehr zu tun als ihre Schulter zu
streicheln.
    Line genoss seine Nähe, hätte sich aber gern mehr gewünscht.
Manchmal kuschelte sie sich eng an ihn und hörte, wie sein Herz schneller
schlug, wenn auch sie begann, ihn zu streicheln. Aber so sehr sie ihn auch
ermutigte, er schien es nicht zu bemerken und ging nicht darauf ein.
    An der Art, wie er sie anschaute erkannte sie seine
Sehnsucht. Aber er schien Angst zu haben, sie zu verschrecken. Line hatte ihm
erzählt, was im Kerker geschehen war – bzw. was Dank ihrer List und der Hilfe
des Scharfrichters nicht geschehen war.
    Seitdem wagte er kaum noch, sie in den Arm zu nehmen.
    Für diese Rücksichtnahme liebte sie ihn nur noch mehr.
Trotzdem hätte sie nichts dagegen gehabt, wenn er in dieser Beziehung etwas
mutiger wäre.
    An morgen wollte sie nicht denken, sie lebte nur für den
Augenblick, genoss jede Stunde, die sie hier in der Abgeschiedenheit
miteinander verbringen konnten. 
    An einem dieser gemeinsamen Abende sah sie ihn von der Seite
an und musterte sein Gesicht. Er saß nachdenklich da, einen Grashalm im Mund
und seine klaren blauen Augen waren in die Ferne gerichtet.
    Als sie sich enger an ihn schmiegte, legte er den Arm fester
um sie. Nach einer Weile drehte er sich zu ihr und schaute ihr in die Augen. Er
musterte sie, als wolle er sich jede noch so kleine Einzelheit einprägen.
    Warum küsste er sie nicht einfach? Sie wollte ihn ermuntern
und versuchte es mit einem – wie sie glaubte – gekonnten Augenaufschlag, der
ihre langen Wimpern besonders gut zur Geltung brachte. Diesen Trick hatte sie
von Antonia gelernt, die trotz ihrer Jugend mehr Erfahrung mit solchen Dingen besaß
als sie.
    Einen kurzen Augenblick sah sie ein Aufleuchten in seinen
Augen. Sein Blick bekam einen ganz besonderen Glanz. Aber dann atmete er tief
ein und schaute wieder auf das silbern schimmernde Wasser des Mühlbaches.
    „Damals am Fluss“, sagte er langsam, ohne sie anzusehen, „du
hast mir das Leben gerettet.“ Es fiel ihm sichtlich schwer, darüber zu
sprechen.
    Line sagte nichts, um ihn nicht zu unterbrechen.
    „Dafür hast du deine Unschuld geopfert.“ Conrad senkte den
Kopf. „Und ich habe es schamlos ausgenutzt“, sagte er so leise, dass sie ihn
kaum verstand. „Ich habe dir wehgetan. Verzeih mir.“
    „Du irrst dich“, erwiderte Line ruhig, nahm sein Gesicht in
beide Hände, drehte es zu sich und schaute ihm direkt in die Augen. „Es war
kein Opfer. Es war ein Geschenk. Und ich war glücklich, dass du es angenommen hast.“
    „Meinst du das im Ernst?“ Ungläubig starrte Conrad sie

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