Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
Das musste ihn bald
ermüden. Conrad wich weiterhin den Hieben aus oder ließ sie seitlich abgleiten.
Dabei wartete er auf seine Chance.
Diese kam, als der vierschrötige Kerl ihm einen Seitenhieb
verpassen wollte, der ihn sicher in zwei Teile zerlegt hätte, wenn er getroffen
hätte. Aber Conrad sprang rechtzeitig zur Seite, drehte sich schnell um die
eigene Achse und ließ sein Schwert kurz über dem Boden einen Halbkreis
vollziehen. Bruno schrie wütend auf, als seine rechte Wade bis zum Knochen
aufgerissen wurde. Er strauchelte. Blitzschnell war Conrad über ihm, sprang
hoch und rammte ihm die Waffe von oben zwischen Genick und Schlüsselbein in
den muskulösen Nacken.
Der schwere Körper sackte in sich zusammen und kippte zur
Seite. Der Stoß war tief eingedrungen und hatte ihm das Herz zerfetzt. Der
vierschrötige Kerl grunzte noch einmal, dann blieb er reglos liegen.
Conrad sah sich zum Forsthaus um. Jetzt erst erkannte er,
was den dritten Entführer niedergestreckt hatte. Einer der merkwürdigen
Wurfsterne, mit denen sein Freund oft übte, steckte tief in der Schläfe des
Mannes. Er staunte über die Wirkung dieser kleinen Dinger.
Li Chan hatte inzwischen den Verschlag aufgebrochen und
brachte gerade Line heraus, die leicht benommen schien.
Mit ein paar Schritten war er bei ihr. Sie sah bleich aus,
schien aber unverletzt zu sein.
„Line“, er flüsterte fast. Vorsichtig streckte er eine Hand
aus und berührte ihre Wange.
Line spürte die Berührung seiner warmen Finger und ihre Haut
begann zu prickeln. Es war kein Geist. Er war es. Er war es wirklich. Die
Jungfrau Maria hatte sie erhört.
Im nächsten Moment schlang sie ihre Arme um seinen Hals und
bedeckte sein Gesicht mit heißen Küssen.
Plötzlich ließ sie ihn los und schaute sich suchend um.
„Lupus?“, fragte sie zaghaft, obwohl sie die Antwort zu
kennen glaubte.
Traurig schüttelte Conrad den Kopf.
„Ist er tot?“
„Ich weiß es nicht. Er wurde verletzt und ist verschwunden.
Wir hatten keine Zeit, ihn zu suchen.“ Er wechselte einen Blick mit Li Chan.
„Wir ihn werden finden“, sagte der Chinese bestimmt.
Line drückte ihren Kopf an Conrads Brust. Behutsam schloss
er die Arme um sie. Sie fühlte sich geborgen in seinen starken Armen. Alle
Anspannung, alle Ängste fielen von ihr ab und plötzlich begann sie hemmungslos
zu weinen.
Der kleine Chinese wandte sich ab und ging die Pferde holen,
die ein gutes Stück entfernt angebunden waren.
Als er zurückkam, standen die beiden noch immer eng
umschlungen und schienen sich nicht voneinander lösen zu können.
Li Chan holte den Wasserschlauch und gab ihn Line. Das
Mädchen lächelte ihn dankbar an und nahm einen langen Schluck, obwohl sie
eigentlich keinen Durst hatte. Nachdem Li Chan auch noch Brot, Käse und sogar
Speck auspackte, setzten sie sich und aßen. Obwohl sie bereits versorgt worden
war, aß sie mit Appetit, denn Li Chans Verpflegung war weit besser als das
trockene Brot und der muffige Käse von Bruno.
Eine Weile sah Conrad einfach nur zu, wie Line sich über die
Köstlichkeiten hermachte, die sein Freund hervorgezaubert hatte. Ihre schwarze
Haarpracht bildete einen krassen Kontrast zu ihrem bleichen Gesicht und die
dunklen Augen erschienen ihm heute noch größer als sonst. Sie waren rot
umrändert, als hätte sie viel geweint. Er fühlte sich schuldig.
„Was wirst du jetzt tun?“, fragte Li Chan und riss ihn damit
aus seinen trüben Gedanken.
Als Conrad nicht sofort antwortete, machte er einen
Vorschlag: „Ich könnte reiten zu deinem Rittergut. Dann ich werde behaupten,
dich nicht gefunden. Ich sagen Constance, was ist passiert…“
„Das ist zu gefährlich“, fiel Conrad ihm ins Wort. „Es ist
besser, wenn auch Constance vorerst nicht weiß, dass ich noch lebe. Wie ich sie
kenne, brächte sie es fertig, Arnulf zur Rede zu stellen. Dann wäre nicht nur
sie in Gefahr, sondern auch du.“
Der Chinese wiegte den Kopf und nickte schließlich. „Ich
hoffe, du hast bessere Idee.“
„Ich denke schon“, sagte Conrad geheimnisvoll und lächelte.
Li Chan und Line sahen ihn erwartungsvoll an.
„Wir besuchen einen Freund.“
„Ah, Freund ist immer gut“, bemerkte Li Chan.
Mit einem Blick auf Line setzte Conrad hinzu: „nachdem wir
Lupus gefunden haben.“
Wie auf Stichwort hörten sie in diesem Moment ein jaulendes
Geräusch. Aus dem Gebüsch humpelte Lupus hervor. Er war noch zerzauster als
sonst und zog ein Bein nach. Getrocknetes Blut klebte
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