Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
gesehen?“
„Ja, aber zum Glück nur ich. Dieser verdammte Mistkerl
denkt, er kann sich alles erlauben – leider hat er sogar recht.“
Nicht mehr lange, dachte Antonia. Beinahe hätte sie es laut
gesagt.
„Ich hätte ihn wirklich umgebracht“, sagte sie ernst.
„Zumindest hättest du es versucht“, wiegelte Wenzel ab, „aber
er ist ein ausgebildeter Kämpfer und du…“
„…nur ein Mädchen, ich weiß“, fiel sie ihm ins Wort.
„Aber das tollste Mädchen, das ich kenne.“
Antonia schluckte. „Ein paar Tage wirst du wohl auf dem
Bauch schlafen müssen“, sagte sie, „aber wenn du dich wenig bewegst, wird es
schnell heilen.“
„Danke, Strohköpfchen“, sagte Wenzel mit warmer Stimme.
„Das ist ja wohl das Mindeste, was ich tun konnte“, sagte
Antonia beschämt, „nach dem, was du für mich getan hast.“
„Ich würde noch viel mehr für dich tun“, erwiderte Wenzel
ungewohnt ernst. Aber dann packte ihn wieder der Schalk. „Unser erstes Treffen
auf meinem Strohsack habe ich mir allerdings etwas anders vorgestellt.“
Antonia rollte mit den Augen. „Ich glaube, dir geht es schon
wieder ganz gut“, sagte sie und stand auf.
„Warte, geh bitte noch nicht.“
„Aber ich muss arbeiten, ich komme heute Abend wieder.“
„Ich warte auf dich.“
Antonia lächelte. Natürlich wartete er auf sie, ihm blieb ja
gar nichts anderes übrig.
XIII
Das Gottesurteil
Heuertmond Anno 1230
Langsam näherte sich der Trauerzug der kleinen, hölzernen
Dorfkirche. Allen voran ging gemessenen Schrittes der Dorfpfarrer Ekarius mit
einem silbernen Kreuz, das er in die Höhe hielt. Hinter ihm trugen Manfred und
seine Männer den reich verzierten Sarg. Dann folgte der lange Zug der
Trauergäste, angeführt von Constance und ihrem Ehemann, der ihren Arm hielt.
Constance schien gefasst, Arnulfs Gesicht zeigte keinerlei
Regung. Aus Achtung vor dem Verstorbenen gingen auch die Adligen heute zu Fuß.
Zunächst reihte sich Arnulfs Vater mit seinem Kebsweib und seinen beiden Neffen
ein, gefolgt von den Rittern aus der Umgebung, deren Angehörigen und Gefolgsleute.
Zum Schluss kam das Gesinde, unter ihnen auch Antonia mit ihrem kleinen Bruder.
Das Wetter war trübe, als hätte es sich dem traurigen Anlass
angepasst. Dunkle Wolken zogen sich am Himmel zusammen und es war wesentlich
kühler als noch vor ein paar Tagen. Der Sommer schien eine Auszeit zu nehmen.
Heute war der Tag der Entscheidung, dachte Antonia. Ungern
hatte sie Wenzel auf dem Gut zurückgelassen, seine Wunden waren gerade
verschorft und konnten bei jeder Bewegung wieder aufreißen und sich entzünden.
Auf keinen Fall wollte sie einen Wundbrand riskieren und er musste ihr versprechen,
sich so wenig wie nur möglich zu bewegen. Arbeiten konnte er vorerst ohnehin
nicht.
Antonia betete zur Heiligen Jungfrau Maria, dass alles gut
ging und Conrad sein Gut zurückbekommen möge.
Sie bewunderte Constance, die sich in den letzten Tagen
nichts anmerken ließ, obwohl ihre Nerven zum Zerreißen gespannt sein mussten.
Wie immer hatte sie mit Arnulf an der Tafel gesessen und belanglose
Konversation betrieben. Angesichts ihrer noch immer nicht überstandenen
Unpässlichkeit wunderte es niemanden, dass sie sich oft in ihre Räume
zurückzog. Auch hielt sie sich oft bei ihrem kranken Vater auf. Hier hatte
Arnulf sich noch niemals sehen lassen, so dass sie völlig ungestört war.
Wie ein Feldherr hatte sie heimlich den Tag der Entscheidung
vorbereitet, den heutigen Tag. Sie fand auch einen Weg, mit Manfred unter vier
Augen zu sprechen und ihn in den Plan einzuweihen, den Li Chan ihr in groben
Zügen erörtert hatte.
Constance konzentrierte sich darauf, ihre Miene ausdruckslos
erscheinen zu lassen und schritt gesenkten Hauptes hinter dem Sarg her. Dabei
sah man ihr ihre innere Unruhe nicht an.
Auf Manfred und seine Männer konnte sie sich verlassen. Die
Uritzer hatten vier Waffenknechte und Li Chan dabei. Das waren insgesamt
fünfzehn kampferprobte Männer.
Von Arnulfs Leuten waren neben seinem Vater und den beiden
Neffen nur vier Waffenknechte mitgekommen, von denen zwei die mitgeführten
Pferde der Ritter sowie Constances Stute am Halfter führten. Auf dem Rückweg
von der Kirche würden sie reiten, wie es für ihren Stand angemessen war. Mehr
als
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