Das mysteriöse Pergament 03 - Heimkehr (German Edition)
Ausgerechnet er hatte sich
selbst in Gefahr gebracht, um sie zu schützen. Das hätte sie niemals von ihm
erwartet. Kurz davor hatte er ihr seine Liebe gestanden und sogar um ihre Hand
angehalten. Erst jetzt gestand sie sich ein, was er ihr bedeutete. Wenn er sie
wieder fragen sollte, würde sie nicht zögern.
Nach dem dritten Schlag stöhnte Wenzel hörbar auf. Die Mägde
schlugen die Hände vor den Mund und die Männer schauten betreten zu Boden.
Entsetzt sah Antonia, wie die Haut unter dem nächsten Schlag
aufplatzte. Blut lief dem Gequälten den Rücken hinunter. Aber er schrie nicht.
Mehr als ein Stöhnen konnte der untersetzte Waffenknecht ihm nicht entlocken,
obwohl er sichtlich mit aller Kraft zuschlug und ihm vor Anstrengung bereits
der Schweiß auf der Stirn stand.
Nach dem letzten Schlag fiel Wenzels Kopf nach vorn, er sackte
in sich zusammen und rührte sich nicht mehr. Sein Rücken sah aus wie ein
blutiges Stück Fleisch.
Die Mägde waren schreckensstarr und Antonia liefen die
Tränen über die Wangen. Aber sie wendete sich nicht ab und gab keinen Laut von
sich.
„Da du mit Pferden offenbar nicht umgehen kannst, wirst du
in Zukunft die Schweine hüten“, sagte Arnulf verächtlich zu dem am Boden
liegenden Knecht, obwohl der ihn sicher nicht hörte. Dann ging er zufrieden
davon.
Zwei Knechte schnitten Wenzel los, trugen ihn in die
Schlafkammer der Stallburschen und legten ihn auf seinen Schlafsack.
Elsa nickte dem Mädchen zu und Antonia verschwand in der
Küche. Kurz darauf schlich sie mit einem Krug Wasser und einigen sauberen
Tüchern in die Kammer über dem Pferdestall.
Antonia kniete neben Wenzel nieder, der auf dem Bauch lag
und sich nicht rührte. Jetzt hätte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als
dass Line hier wäre.
„Wenzel“, sprach sie ihn leise an. „Ich bin es, Antonia.“
„Strohköpfchen?“, fragte Wenzel und wollte sich umdrehen,
aber er zuckte vor Schmerz zusammen.
„Bleib still liegen“, mahnte Antonia, „ich werde deine
Wunden säubern.“
Vorsichtig hob sie das Leinenlaken, das seinen blutigen
Rücken bedeckte. Wieder schossen Antonia Tränen in die Augen. Sie fühlte sich
schuldig. So behutsam wie möglich wusch sie die Wunden aus.
„Ist es sehr schlimm?“, fragte plötzlich hinter ihr eine
weibliche Stimme.
Antonia hatte niemanden hereinkommen hören und fuhr
erschrocken herum. In der Tür stand Anna mit einem Töpfchen in der Hand.
„Das ist eine Wundsalbe, ich habe sie von dem Medicus.“
Dankbar und etwas verwundert nahm Antonia die Wundsalbe
entgegen. Die meistens etwas distanzierte und oft hochnäsig wirkende Zofe war
heute ganz anders. Sie lächelte Antonia an, zwinkerte kurz und raunte ihr zu:
„Jetzt wird alles gut. Morgen wird Ritter Conrad kommen und den
niederträchtigen Arnulf zum Teufel jagen. Ich bin so froh, dass er und Line
noch leben.“
Dann verschwand sie genauso leise, wie sie gekommen war.
Wie vom Donner gerührt saß Antonia da, das Töpfchen mit der
Salbe in der Hand. Ihre Hoffnung hatte sich also erfüllt, Ritter Conrad lebte.
Sie schloss kurz die Augen und schickte ein Dankgebet zur Jungfrau Maria.
Antonia ging zurück zu Wenzel, der die leisen Worte nicht
gehört haben konnte. Vorsichtig trug sie die Salbe auf und verteilte sie auf
dem ganzen Rücken. Dabei dachte sie über die Worte nach, die Anna noch gesagt
hatte. Ritter Conrad würde Arnulf zum Teufel jagen. Das ergab für sie zunächst
keinen Sinn. Aber dann kam ihr ein ungeheuerlicher Verdacht. Was, wenn
Constances Ehemann hinter all dem steckte und er Conrad böses wollte? Hatte Li
Chan nicht gesagt, sie wären von Feinden umgeben?
Da Li Chans Nachricht von ihr überbracht wurde, war Anna
wohl davon ausgegangen, Li Chan hätte sie eingeweiht. Aber warum hatte der
Chinese ihr nichts verraten? Um den Kreis der Eingeweihten so klein wie möglich
zu halten, gab sie sich selbst die Antwort.
Morgen, hatte Anna gesagt. Das war der Tag der Beisetzung.
Antonia hatte bei Wenzel bleiben wollen, aber jetzt entschied sie, mit zur
Kirche zu gehen. Was auch immer in den nächsten Stunden passierte, sie wollte
dabei sein. Viel konnte sie für Wenzel ohnehin nicht tun.
Sie verschloss das Salbentöpfchen und bedeckte Wenzels
Rücken mit einem sauberen Leinentuch.
„Och, das tut gut“, stöhnte Wenzel.
„Warum hast du das getan?“, fragte Antonia.
„Was getan?“, fragte Wenzel, „Arnulf das Leben gerettet?“
„Was? Wie kommst du denn – hast du etwa das Messer
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