Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
großen Schmerzen steht der Hirsch langsam auf und richtet sein mächtiges Geweih bedrohlich in meine Richtung. Ich bleibe stehen.
Der Hirsch fixiert nur mich. Warum eigentlich? Müsste er nicht viel besorgter sein wegen der Bestie, die hier noch herum streifen könnte? Prinzipiell müsste ich das ja auch sein, aber wenn mir der Wolf wirklich was tun wollte, hätte er das bestimmt schon letztes Mal gemacht. Komisch...gerade fällt mir wieder das Blut an meinen Händen ein. Wie kommt das überhaupt dort hin? Plötzlich, als ich an mir hinunterschaue sehe ich, dass mein ganzes Gewand völlig zerfetzt und ebenfalls blutverschmiert ist. Was habe ich nur angestellt? Langsam setzt sich der Hirsch wieder in Bewegung. Ich mache einen Schritt nach vorne, was sich als schlechte Idee herausstellt. Das Tier scheint seine letzte Kraft zusammenzunehmen und läuft los. Er bewegt sich zwar nicht sonderlich schnell, aber man merkt dennoch, dass er um sein Leben rennt.
Was ist das nur plötzlich für ein merkwürdiges Gefühl? Mein Atem stockt und wird unruhig, mein Herz schlägt schneller und ich kann meinen Blick nicht von dem fliehenden Hirsch abwenden. Meine Augen fixieren jede seiner Bewegungen. Jeder Sprung, jeder noch so kleine Schritt, ich erkenne alles. Mir kommt es so vor, als würde er sich in Zeitlupe bewegen. Alle meine Muskeln spannen sich an. Es ist wie ein Drang, nein, wohl eher ein Instinkt. Ich spüre dieses starke Verlangen. Das Verlangen, mich in Bewegung zu setzen, aber etwas anderes macht mir noch viel mehr Sorgen. Diese Fleischlust. Diese enorme, nicht zu bändigende Fleischlust. Es ist so schlimm, wie es bisher noch nie gewesen ist. Ich kann einfach nicht anders, ich kann es nicht abstellen, ich muss sofort loslaufen!
"Wo...wo bin ich? Mir brummt der Schädel..." Langsam öffne ich meine Augen. Ich fühle mich so schlapp und leblos. Mal sehen, wo ich hier überhaupt bin. Nach ausgiebigen Augenreiben, Gähnen und Strecken sehe ich mich erstmals um. Gott sei Dank, ich liege in meinem Bett. Eingekuschelt in meiner dicken Bettdecke und auf meiner weichen Matratze schaue ich auf den Wecker. Gerade mal fünf Uhr. Ich vertrete mir wohl besser mal die Beine. Langsam setze ich mich auf und gähne noch einmal. Dann ziehe ich mir die Decke vom Körper...was zur Hölle ist das? Oh nein...nein, nein, nein, das kann einfach nicht wahr sein! Es war kein Traum! Verdammt nochmal, es war real! Ich trage noch immer dasselbe Gewand, das ich gestern anhatte. Nur diesmal ist es sogar noch zerfetzter und durchtränkt mit eingetrocknetem Blut. Ich sehe aus, als hätte ich irgendein Tier zerlegt...ein Tier? Der Hirsch! Ich werde doch nicht etwa...?
In Windeseile springe ich aus dem Bett und schleiche mich über den Flur ins Bad gegenüber von meinem Zimmer. Die anderen schlafen sowieso noch alle. Ich schließe die Tür hinter mir ab und versuche dabei so leise wie nur irgend möglich zu sein. Dann gehe ich zum Spiegel und was ich da sehe, gefällt mir ganz und gar nicht. Mein Gesicht hat genauso viel Blut abbekommen, wie mein restlicher Körper und als ich meinen Mund öffne, kann ich nicht glauben was ich da sehe. Überall Blut. Auf den Zähnen, zwischen den Zähnen, am Zahnfleisch und der Zunge, einfach überall! Oh Jessica, was hast du da nur angestellt?
Mittlerweile sind fast zwei Stunden vergangen seitdem ich aufgewacht bin. Es gab ja auch reichlich zu tun. Das Erste, was ich gemacht habe, war Zähneputzen. Und das fünfmal. Danach habe ich sofort mein Gewand und auch meine Bettwäsche entsorgt. Ich habe sie in drei schwarze Müllbeutel eingewickelt und dann zur Sicherheit noch in die Mülltonne der Nachbarn geworfen. Dann habe ich mein Bett neu bezogen, das restliche Zeug für den heutigen Ausflug eingepackt und zu guter Letzt sehr lange geduscht. Jetzt liege ich fix und fertig in meinem Bett und will erst gar nicht darüber nachdenken, was ich gestern getan habe. Mir fehlt noch jede Erklärung bezüglich dieses Ereignisses und tausende Fragen schwirren mir durch den Kopf. Gerade kommt Jane in mein Zimmer und fragt mich was ich zum Frühstück möchte. Ich schlage ihr Angebot dankend aus. Immerhin hatte ich ja einen ausgiebigen Mitternachtsimbiss...
Na toll, eigentlich hätte ich eine gute Ablenkung gebrauchen können, um nicht so viel nachzudenken. Und wo bin ich gerade? - Im langweiligsten Bus der Welt. Ich habe meine Kopfhörer vergessen und habe keine Ahnung was ich jetzt machen soll. Eine halbe Stunde Fahrt habe ich
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