Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
geht er voraus. Rachel wirft mir einen unsicheren Blick zu, den ich erwidere. Dann atmet sie einmal tief durch und folgt Jake. Ich bilde das Schlusslicht. So begeben wir uns von der malerischen Schneelandschaft, die in der Abenddämmerung schimmert, in die dunkle Felsspalte...ohne zu wissen, wo sie tatsächlich hinführt. Normalerweise würde ich mir ja keine Sorgen machen, aber Jakes Reaktion gibt mir einen Anlass dazu. Ich kenne ihn mittlerweile schon gut genug, um zu wissen, wann er lügt. Und vorhin hat er definitiv nicht die ganze Wahrheit gesagt, so viel steht fest. Ihm geht es genauso wie Rachel und mir. Er fühlt sich unsicher. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass hier irgendwas nicht stimmt. Ich kann nur hoffen, dass ich mich irre.
"Bleibt dicht zusammen, Leute. Und bemüht euch, die Wände nicht zu berühren. Es könnte sein, dass Felsen von oben herabfallen und dann kommen wir hier nicht mehr raus. Nun ist äußerste Vorsicht geboten." Ich versuche Jakes Anweisung so gut es geht zu befolgen. Leider ist die Felsspalte nicht wirklich breit. Ich weiß gar nicht, was ich machen würde, wenn ich nicht im Dunkeln sehen könnte. Dann wäre diese Aktion vermutlich der reinste Selbstmord.
Plötzlich zuckt Rachel zusammen: "Autsch!" Ihr scheint ein kleiner Stein auf den Kopf gefallen zu sein. "Können wir einen Zahn zulegen? Je schneller wir hier raus sind, desto besser. Ich bekomme ja noch Platzangst!" Ihre Stimme hallt durch das finstere Gewölbe.
Jake zischt sie sofort an: "Pst! Ruhe jetzt! Die Felsen über uns sind schon bröcklig genug. Wenn du hier auch noch herumbrüllst, riskieren wir wieder eine Gerölllawine und du weißt ja noch, was bei der letzten geschehen ist..." Diese Worte lassen Rachel verstummen. Still und konzentriert geht sie weiter und achtet auf jeden ihrer Schritte. Es sieht wirklich lustig aus, wie bedacht sie herumsteigt. Ich muss schmunzeln.
"Hoppla!" Kurz einmal nicht aufgepasst, bin ich die nächste, die Mist baut. Ich stolpere über einen Stein und falle zu Boden.
Rachel erschrickt und schreit auf: "Ach du meine Güte!" Wieder hallt ihre Stimme durch die Felsspalte. Sofort zuckt Rachel zusammen. Auch Jake bleibt unsicher stehen und ich liege noch immer am Boden und rühre mich keinen Millimeter. Endlich scheint sich der Hall wieder zu verlieren.
Jake atmet erst einmal durch, dann wendet er sich wieder mit gedämpfter Stimme an Rachel und mich: "Ihr beiden wollt uns wohl noch umbringen...Glück gehabt, dass nichts passiert ist." Plötzlich höre ich ein leises Klacken, das auch Jake verstummen lässt.
Dann fragt Rachel nach: "Habt ihr das eben gehört?" Sie klingt verunsichert.
Wieder zischt Jake: "Pst! Sei mal kurz still..." Das Klacken scheint lauter zu werden...es kommt von oben! Instinktiv und fast zeitgleich blicken wir drei hoch. Zuerst erkenne ich es nicht, aber dann sehe ich es...ein Stein. Ein kleiner Stein scheint sich ganz oben gelöst zu haben und fällt nun die Spalte runter, wobei er immer wieder zuerst auf die linke und dann auf die rechte Felswand aufschlägt. Bei diesem Anblick stockt mir der Atem. Je näher der Stein kommt, desto mehr gewinnt er an Geschwindigkeit und somit auch an Kraft. Angespannt verfolgen wir drei die Bewegungen dieses kleinen Brockens, als etwas geschieht, das mir den Atem endgültig raubt: ein weiterer Stein fällt herab. Wie in Zeitlupe kann man nun beobachten, wie sich ein Stein nach dem anderen von der Wand löst. Dabei kommen immer größere Brocken dazu bis hinter mir der erste Felsen mit einem riesigen Krach einschlägt.
Ich zucke zusammen, als Jake und Rachel einen Blick zurückwerfen. Mit weit aufgerissenen Augen starren sie an mir vorbei. Nun drehe auch ich mich um und bin plötzlich wie gelähmt. Keine hundert Meter hinter mir beginnen die Wände endgültig einzustürzen und die riesigen Felsmassen begraben alles unter sich. Mein Herz schlägt wie verrückt. Ich kann nicht mehr atmen. Am liebsten würde ich schreien, aber meine Kehle ist wie zugeschnürt. Völlig perplex starre ich auf die drohende Gefahr und kann mich nicht bewegen.
Doch plötzlich reißt mich etwas aus diesem Zustand: "Los jetzt! Lauft!" Nun läuft alles blitzschnell ab. Auf Jakes Kommando hin rennen die beiden vor mir los, während neben uns alles wackelt und bebt. Ohne noch länger nachzudenken ergreife nun auch ich die Flucht. Ich schaue nicht mehr nach hinten, ich denke nicht mehr nach. Das Einzige, was jetzt noch zählt ist laufen! Mehrere kleine Steine und
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