Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
verliert die Balance und fällt zu Boden. Dabei lässt er sein Gewehr los. Ich rolle mich geschickt zur Seite, greife nach dem Gewehr, stehe schnell wieder auf und richte seine eigene Waffe gegen ihn. Verdutzt liegt der Jäger nun vor mir und starrt mir voller Angst in die Augen. Ich kann seinen Herzschlag hören und sehe, wie seine Unterlippe bebt. Jetzt ist er derjenige, der sich fürchtet. Aber was soll ich jetzt bloß machen? Jake liegt noch immer bewusstlos am Boden. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und ziele weiterhin auf den wehrlosen Mann.
"B-bitte, tu mir nichts! Ich habe eine Frau und zwei kleine Kinder! Du wirst mich doch wohl nicht wirklich töten, oder?" Er muss gemerkt haben, dass ich noch zögere. Was soll ich denn machen? Erst vorgestern habe ich noch geglaubt, dass ich selbst ein Mensch bin und heute soll ich schon einen umbringen? Niemals! Ich habe mich zwar damit abgefunden, dass ich ein Wolf bin, aber das macht mich noch lange nicht zu einem Monster. Wenn mich George und Jane so sehen würden...sie wären enttäuscht von mir...
Also lasse ich locker: "Na gut. Ich gebe dir eine letzte Chance. Steh auf!" Verunsichert befolgt er meine Anweisung. "Gut. Eines solltest du noch wissen bevor ich dich gehen lasse: wir Wölfe sind nicht alle gleich! Nur weil viele meiner Artgenossen die Menschen hassen, heißt das noch lange nicht, dass wir das alle tun! Ich habe lange bei sehr netten Leuten gelebt und sie haben mich großgezogen wie ihre eigene Tochter! Du solltest ihnen dankbar sein...denn hätten sie mich nicht gelehrt Mitleid zu zeigen, wärst du jetzt schon tot...und jetzt verschwinde!" Der Jäger zuckt zusammen und ergreift daraufhin sofort die Flucht. Er läuft in den Wald, dreht sich noch einmal um und verschwindet dann im Schutz der Bäume. Ich hoffe nur, ich habe jetzt keine Dummheit gemacht...oh, Jake! Ich wende mich ihm wieder zu: "Jake! Mach jetzt endlich die Augen auf!" Na, wer sagt's denn! Jake scheint langsam wieder zu sich zu kommen!
"W-was ist passiert?" Er ist noch etwas durcheinander. Kein Wunder, der Aufprall war immerhin ziemlich heftig. Trotz allem müssen wir schleunigst von hier verschwinden. Der Jäger weiß nun, wo wir uns aufhalten und ich denke nicht, dass er zögert seine Kollegen zu informieren.
Hektisch versuche ich ihn zum Gehen zu bewegen: "Wir müssen weg von hier, Jake! Weißt du nicht mehr? Die Jäger!"
"Die was?...Ach ja!" Jake springt wie von der Tarantel gestochen auf. "Jessica, wir müssen schleunigst von hier verschwinden!"
"Sag ich doch!" Jake schaut verdutzt auf das Gewehr in meinen Händen. "Während du hier auf dem Boden gelegen bist, habe ich übrigens schon eine kleine Auseinandersetzung mit einem dieser Typen gehabt."
Jake ist sichtlich schockiert: "Du hast was? U-und ist alles in Ordnung bei dir? Wo ist er jetzt?"
"Natürlich ist alles in Ordnung. Ich habe ihn etwas ausgetrickst, um ihn abzulenken. Und dann..." Ich traue mich nicht recht den Satz zu beenden und blicke schuldbewusst zu Boden.
Jake drängt mich weiterzureden: "Na sag schon! Was ist dann passiert?"
"Ich habe..." Wieder stocke ich.
"Nein, sag jetzt nicht, dass du ihn laufen lassen hast." Ich gebe Jake keine Antwort. "Jess, das kannst du doch nicht machen! Bald wird es hier vor Jägern nur so wimmeln! Was hast du dir dabei nur gedacht?"
"Ich konnte es einfach nicht! Was erwartest du denn von mir? Was hätte ich deiner Meinung nach machen sollen? Ihn töten? Tut mir leid, aber dazu bin ich nicht im Stande! Das ist einfach gegen meine Natur!" Was ist jetzt los? Jake lacht?
"I-ist das wirklich dein Ernst, Jessica?" Ich verstehe gar nichts mehr. Was meint er nur? Langsam hört er wieder auf zu lachen. "Du weißt gar nicht, wie amüsant es ist, das aus dem Mund einer Wölfin zu hören! Töten liegt nicht in deiner Natur? Was glaubst du denn, was sonst in deiner Natur liegt? Glaubst du etwa du bist ein Kuscheltier?" Ich weiß nicht recht, was ich darauf sagen soll. Mir fehlen ganz einfach die Worte.
Ich beschließe mich zu wehren: "Aber vielleicht bin ich anders! Ich muss doch nicht so sein wie alle Wölfe!"
"Würdest du mir einen kleinen Gefallen tun?" Was hat er denn jetzt vor? "Verwandle dich in einen Wolf. Na komm schon!" Gut, ich werfe das Gewehr zur Seite und befolge seine Anweisung. Nun stehe ich als Wölfin vor ihm. Jake setzt sich in Bewegung und umkreist mich langsam. "Na was sehe ich denn da? Die gleichen Zähne und die gleichen Klauen. Du willst zwar, dass es nicht
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