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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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zum Schlafen war, wenn wir bei Tagesanbruch zur Torre Vecchia zurückkehren wollten. Während der Verzehr der Kaninchen zunächst alle heiter gestimmt hatte, war die Fröhlichkeit durch Kemals unheimliche Geschichten, in denen seine Korsarenfreunde sich dank ihrer blutgierigen Kühnheit stets als Sieger aufspielten, gründlich verflogen.
    Ein jeder zog wieder seine Kleider und Mäntel an, die unterdessen am Kaminfeuer getrocknet waren, und legte sich mit einer der Decken, die wir oben im Schrank gefunden hatten, auf den Boden. Unsere Gruppe zählte zehn Personen, und das Haus des Mädchens war recht klein, doch wenn man ein wenig zusammenrückte, fand jeder mit etwas gutem Willen ein Lager für die kurze Nacht, die uns bevorstand. Das einzige Bett im Obergeschoss wurde Schoppe aus Altersgründen und seiner nunmehr angeschlagenen Gesundheit wegen zugestanden, doch zuvor mussten die klamme Matratze und die Decken |270| mit einem Bettwärmer aufgewärmt werden. Die anderen richteten sich in der Küche ein, wo noch die laue Wärme des erlöschenden Feuers herrschte. Du rücktest natürlich eng mit Barbello zusammen. Ich bemerkte, dass ihr euch ein verborgenes Eckchen unter der Treppe zum Obergeschoss erobert hattet. Um den Weg zwischen euch und der Küche zu versperren, hatte sich Malagigi, der inzwischen der Schutzgeist eurer sodomitischen Begierden war, auf die Schwelle gelegt. Ein feiner Lehrer, knurrte ich in mich hinein. Barbello fing meinen scheelen Blick auf und warf mir ein unergründliches Lächeln zu. Kemal blies die letzte Kerze aus.
    Erschöpft wie Maultiere und erschlafft vom Wein, gaben wir uns, nachdem wir einander eine Art Gutenachtgruß zugemurmelt hatten, einer tiefen Betäubung hin. Ich für meinen Teil fühlte mich wie vergiftet von dem Gedanken an das, was du und dieser lasterhafte Barbello jetzt wohl bereits unter der Treppe begonnen hattet, und während ich mich zusammenrollte, betete ich, der Himmel möge mich im Schlaf vernichten und mich in die Hölle werfen, weil ich dich in den Abgrund des widernatürlichen Lasters gestoßen hatte. Denn dass die Großherzöge dich seit dem Kindesalter gegen deinen Willen und gegen deine Neigung missbrauchten (unser lieber Herr Jesus würde dich im Himmel für das erlittene Martyrium entschädigen), war etwas anderes als bei Barbello, bei dem ich dich freiwillig sehr aktiv gesehen hatte!
Mea culpa, mea maxima culpa
, seufzte ich leise.

    Noch immer in der klebrigen Umklammerung dieser Gedanken befangen, hörte ich nach einer guten Weile ein Geräusch: ein Niesen, mühsam unterdrückt.
    Ich öffnete die Augen und erblickte Naudé, der über das Bündel des auf der Türschwelle schlafenden Pasqualini gestiegen war und nun die Treppe hinaufging. Die Gestalt des Bibliothekars wurde von der Kerze erhellt, die er bei sich trug. Die Erkältung, die er sich im Regen geholt hatte, hatte ihn verraten.
    Ohne mich zu rühren, beobachtete ich, wie er auf Zehenspitzen die Treppe hinaufstieg. Dort oben schlief Schoppe. Der Regen war weniger heftig als zuvor, und die Latrine befand sich vor dem Haus. Wenn Naudé ein körperliches Bedürfnis drängte, hätte er hinausgehen müssen.
    Noch immer wie eingegipst in meiner Pose eines Schlafenden, |271| spitzte ich die Ohren. Keine Stimme, kein leises Flüstern ließ sich vernehmen, nur das friedliche Schnarchen unserer Gruppe. Ich erhob mich, huschte mit schlangenhafter Wendigkeit an Malagigi vorbei und schlich leise zur Treppe, nicht ohne einen Blick unter die Stufen zu werfen, wo du und Barbello im Dunkeln fest schliefet. Es genügte jedoch, einen Zipfel der Decke zu heben, um darunter die Spuren dessen zu gewahren, was ihr soeben getan hattet.
    Dann folgte ich Mazarins Bibliothekar die Treppe hinauf. Als ich über die letzte Stufe hinausblicken konnte, sah ich ihn in das Zimmer eindringen, wo der Schrank stand, aus dem er auf meinen Rat hin eine Wolldecke geholt hatte. Ich sah, wie er den Schrank erneut öffnete, sorgsam bedacht, kein Geräusch zu machen. Er blickte kurz hinter sich. Dann kramte er auf dem Schrankboden unter eben jenem kleinen Stapel Decken, den ich dort entdeckt hatte.
    Er zog ein paar Blätter hervor, warf noch einmal einen wachsamen Blick um sich und setzte sich dann auf den Boden.
    Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Ich musste es wissen und beschloss, mich zu erkennen zu geben.
    »Um diese Zeit noch wach?«
    Naudé fielen vor Schreck die Blätter aus der Hand.
    »Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht

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