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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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gehörte. Tigellinus säte in Nero den Verdacht, dass auch Petronius, da mit einem der Verschwörer befreundet, in das verbrecherische Komplott verwickelt war. Um seine Verleumdung ins Werk zu setzen, bestach Tigellinus einen Sklaven, damit er gegen Petronius aussagte, und ließ einen guten Teil von Petronius’ Dienern verhaften, damit sie nicht zu seinen Gunsten Zeugnis ablegen konnten.
    Während dies alles geschah, weilte Petronius mit dem Kaiser in Kampanien. In Cuma wurde er vorläufig verhaftet, bis Nero über sein Schicksal entschieden hatte. Etwas anderes als das Todesurteil hatte er nicht zu erwarten. Als freier Geist, der er war, berichtet Tacitus, beschloss Petronius, auf die Entscheidung des Kaisers zu verzichten. Statt in Furcht und Schrecken im Kerker zu schmachten, zog er es vor, sich zu töten, doch ohne Eile. Als wäre dies einer seiner Einfälle zur Belebung der römischen Nächte mit seinen Freunden, schnitt er sich die Pulsadern auf und verband sie, dann öffnete er die Verbände, um langsam zu verbluten. Umgeben von Freunden, sprach er nicht etwa über ernste, heilige und bedeutende Dinge wie die Unsterblichkeit der Seele, sondern unterhielt sich mit Scherzen, Spottgedichten, Liedern und anderen Bagatellen und verspottete so die heroischen Posen der Philosophen und Morallehrer. Am Tag seines Todes benahm er sich so wie an jedem anderen Tag und verteilte Belohnungen und Strafen unter seinen Sklaven. Kurz, er machte aus seinem Tod ein Meisterwerk der Eleganz, speiste zu Mittag und gönnte sich sogar wie gewohnt ein Schläfchen, sodass sein Tod wie zufällig aussah. Er verzichtete |401| darauf, im letzten Moment in sein Testament eine Klausel zugunsten Neros, Tigellinus oder anderer Mächtiger einzufügen, wie es damals üblich war, um zu verhindern, dass sie sein Erbe unter einem Vorwand konfiszierten. Im Gegenteil: als postume Rache schrieb er im Namen einiger Jünglinge und Prostituierten einen belustigten Bericht über Neros Ausschweifungen bis in die widerlichsten Einzelheiten und schickte ihn Nero. Dann zerbrach er seinen Siegelring, damit niemand nach seinem Tod damit falsche Anklagen beglaubigen und andere Unschuldige ins Verderben stürzen konnte.
    Mit seinem heldenhaften Selbstmord ging er den Weg der anderen, die zu Recht oder Unrecht als Beteiligte der Verschwörung des Piso angeklagt wurden und sich alle das Leben nahmen: der Philosoph Seneca, der Dichter Lukan, der General Corbulo, die ehemalige Sklavin Epicharis und viele mehr.

    »So lebte und starb Petronius, der
arbiter elegantiarum
«, schloss Guyetus mit feierlicher Miene. »Und wie Ihr zweifellos erkannt habt, lieber Secretarius, spiegelt das
Satyricon
den Geist seines Autors wieder. Es ist eine gnadenlose, noble, wahrheitsgetreue, scharfe Anklage des dekadenten Rom seiner Zeit und der liederlichen Herrschaft Neros, welche die Vulgarität, Brutalität, Niedrigkeit und Unmoral des Kaisertums entlarvt.«
    »Dann ist das
Satyricon
also die Schrift, die Petronius vor seinem Tod an Nero geschickt hat? Wovon handelt sie?«
    Die Frage war von dir gekommen, Atto, und hatte ins Schwarze getroffen, zwang sie den französischen Philologen doch dazu, zu erklären, was das
Satyricon
, dem er und die anderen Gelehrten ihrer Meinung nach nunmehr einen wichtigen Teil zurückerstattet hatten, eigentlich erzählte.
    »Och, die Geschichte des
Satyricon
kennt doch jeder«, brummte Guyetus ausweichend und spähte hinüber zu Schoppe, in der Hoffnung, der Verehrungswürdige nähme es auf sich, deine Frage zu beantworten. Doch dieser tat so, als hätte er den Blick nicht bemerkt.
    Stattdessen trat Naudé vor, den es zu beglücken schien, einer größeren Zuhörerschaft den berühmtesten Roman des Altertums zusammenfassen zu dürfen.

    |402| Das
Satyricon
, erklärte Naudé, sei die Geschichte von Encolpius und seines jungen Sklaven Giton, die auch ein Liebespaar sind. Die beiden ziehen mit Askyltos umher, ebenfalls Päderast, der sich mit dem Jungen vergnügt, was Encolpius’ Eifersucht erregt. Die beiden erwachsenen Männer spielen sich als Gelehrte auf, sind aber in Wirklichkeit zwei billige Schreiberlinge. Askyltos verschwindet, wird fast von einem Familienvater vergewaltigt und taucht später in einem Freudenhaus wieder auf. »Encolpius wird vom Schreckgespenst der Impotenz verfolgt«, kicherte Naudé, den seine eigene Erzählung sehr zu amüsieren schien», ihn traf ein Fluch, weil er an einem fürchterlichen Geheimritual im Tempel des Priapus

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