Das Mysterium der Zeit
ganzes Buch geschrieben,
Scaliger Hypobolimaeus
, »Scaliger verfälscht«, darin er die Biographie von Scaliger Senior, Julius Cäsar, sehr genau untersucht, und er konnte beweisen, dass sie gut vierhundert Lügen enthält. Darauf schimpfte der Sohn Scaligers ihn einen Sodomiten und Hund der Grammatik und bedachte ihn mit weiteren, unhöflichen Ausdrücken.
»Scaliger konnte Niederlagen nicht akzeptieren«, brummte Schoppe.
»Ha, er hat dich einen Sodomiten genannt! Das war mir neu«, lachte Naudé, froh über die Rache, die er nun üben konnte, und las weiter:
Die Freunde und Schüler Scaligers haben mit ganzen Büchern voller Beleidigungen geantwortet, einschließlich der Geschichte, nach der Schoppes Vater als Totengräber den Leichen die Füße absägte, wenn sie nicht in den Sarg passten.
»Eine infame Lüge dieses aufdringlichen Heinsius, der Schüler von Scaliger war! Arme, erbärmliche Dummköpfe! Da sie keine Argumente hatten, haben sie welche erfunden!«, krächzte der alte Deutsche, während die Lektüre unerbittlich weiterging:
Schoppe und Scaliger waren in einer krankhaften Hassliebe verbunden, bei der einer der beiden (Schoppe) nicht anders konnte, als mit dem anderen bis zum Tode zu streiten. Ihre Schicksale waren verflochten wie die Binsen eines Korbes: Scaliger, katholisch geboren, wurde Protestant, während Schoppe, als Protestant geboren, zum Katholizismus übertrat. |604| Zum Schluss hatte sich ihr Kampf auf ganz Europa ausgeweitet: Parteigänger von Scaliger (Calvinisten) und von Schoppe (katholisch und Jesuiten) zerfleischten sich mit Feder und Papier über Ländergrenzen hinweg, während die Gelehrtenrepublik fassungslos mit finsterer Miene zuschaute.
Damit alle glaubten, er habe ein ganzes Heer hinter sich, benutzte Schoppe in seinen Attacken auf Scaliger Dutzende Pseudonyme: Pascasius Grosippus, Oporinus Grubinius, Alphonsus de Vargas, Nicodemus Macer, Holofernes Kriegsoederus, Christoff von Ungersdorff, Philoxenus Melander, Euphormio, Sanctius Galindus, Augustinus Ardinghellus, Bernardinus Giraldus, Renatus Verdeaeus, Mariangelus a Fano Benedicti, Paganinus Gaudentius, Daniel Steinhauser von Salzburg, Patricius Mediolanensis und Vincentius Cacatoxicus.
»Na und? Dieser Angeber Scaliger konnte nur verleumden und beleidigen«, rechtfertigte sich der Verehrungswürdige, »und hatte überdies den Vorteil, sich meinen Antworten entziehen zu können, weil er Freunde an seiner Stelle schreiben ließ. Also war ich gezwungen, unter Pseudonymen zu schreiben. Aber mir sind wunderschöne Namen eingefallen, findet ihr nicht?«
Keiner antwortete. Naudé fuhr fort:
Hinter all diesen Namen versteckt, war Schoppe zu einem vielköpfigen Ungeheuer geworden wie die Hydra von Lerna, und Scaliger muss manchmal geglaubt haben, nicht einen Feind, sondern deren hundertfünfzig zu haben.
Wie es endete, ist bekannt. Verbittert von den Attacken des unermüdlichen Schoppe, starb der alte Scaliger kurz nach der Veröffentlichung von
Scaliger Hypobolimaeus
1609 in seinem Landhaus, einsam wie ein Hund im harten französischen Winter.
»Hier verlässt Bouchard sein Gedächtnis. Er erinnert sich nicht, wie sehr mich der Tod Scaligers betrübt hat«, log Schoppe.
Naudé würdigte ihn keines Blickes und fuhr unbeirrt fort:
Ende der Geschichte? Keineswegs. Der schreckliche Schoppe brüstete sich öffentlich, seinen Gegner vom Leben zum Tode befördert zu haben. Ihm sei es zu verdanken, wenn allen für immer ins Gedächtnis gemeißelt |605| bleibt, dass Scaliger in der berühmten Biographie seines Vaters schamlos gelogen und gefälscht hat.
Nachdem er seinen Gegner umgebracht hatte, stahl Schoppe ihm sogar den Namen. Um seiner eingebildeten adeligen Abstammung Glaubwürdigkeit zu verleihen, hatte Scaliger nämlich das berühmte Motto
Fuimus Troes
, »Wir waren Trojaner«, aus Vergils
Aeneis
auf Familienporträts setzen lassen, um den Eindruck zu erwecken, sein Geschlecht reiche sogar bis zu Aeneas, dem ruhmreichen Stammvater Roms zurück. Was tat Schoppe? Er begann, das
Fuimus Troes
ebenfalls zu benutzen. Scaligers Witwe musste ihn mit einem Gerichtsprozess zwingen, den makabren Spaß zu unterlassen.
»Na und? Darf ich Vergil nicht zitieren und auf mein Wappen setzen? Ist das ein Verbrechen?«, fauchte Schoppe, während Naudé unter seinem Schnurbart böse lächelte. Die Abrechnung mit Schoppe erfreute den Bibliothekar, da die zuvor gefundenen Aufzeichnungen Bouchards auch ihn mit Schimpf und Schande
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