Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
Vom Netzwerk:
Inschriften so schwerwiegend ist, dass es eine sehr intensive wissenschaftliche Herangehensweise erforderte, und nicht einmal diese war ausreichend. Wie die Gelehrten zugeben, sind die Fälscher in vielen Fällen zu so »brillanten Ergebnissen« gekommen, dass »viele von ihnen vielleicht niemals von der Kritik aufgespürt werden. Die Entstehung der Epigraphie als Wissenschaft hatte dieses Problem der Klärung von Fälschungen schon in ihren Anfängen, und es ist immer noch nicht gelöst« (M. Mayer,
La técnica de producción de falsos epigráficos a través de algunos exemplares de
CIL II , in: »Excerpta philologica«, 1/2 (1991), S. 491–499; vgl. allgemein J. Velaza,
Sobre algunos aspectos de la falsificación en epigrafía ibérica
, in: »Fortunatae«, 3 (1992), S. 315–325).
    Jede Theorie hat ihre mehr oder weniger verschwörerischen Antworten parat. Es gibt diejenigen, die pauschal die Kirche beschuldigen, die einzige Institution, die über Jahrhunderte flächendeckend in jeder Ecke der bekannten Welt präsent und daher zu einer Fälschung in dieser Größenordnung fähig war; andere dagegen erklären alles mit einem riesigen Missverständnis bei der Übermittlung der historischen Daten. (Fomenka denkt an die irrtümliche Verdoppelung der Herrscherdynastien, die weitere Reihen frei erfundener |788| Kaiser und Könige hervorgebracht hatten); Hardouin gab die Schuld einer Gruppe von mittelalterlichen Mönchen, unterstellte ihnen aber anti-christliche Ziele.
    So gesehen ist der Jesuitenpater der ungewöhnliche Schnittpunkt zweier einander widerstreitender Ansichten: derjenigen, die in einem Teil der kirchlichen Hierarchie die Schuldigen einer geheimen Manipulation der Geschichte erblickt (eine Richtung, die in den letzten Jahren in zahlreichen Trash-Romanen anzutreffen ist), und der zweiten, die in der Fälschung und künstlichen Ausdehnung der Zeitgeschichte eine Strategie sieht, die den Menschen von Christus entfernen soll (eine These, die einigen radikalen Katholiken Genugtuung bereiten würde, ausgenommen vielleicht die Verbannung der Kirchenväter aus dem Panorama der Glaubenslehre). Wenn Fomenko Recht hatte, wäre die Fleischwerdung Christi gut tausend Jahre von uns weggerückt, mit dem unausweichlichen Effekt, dass sich die Figur des Erlösers wesentlich verschwommener darstellt.

    Alle oben erwähnten Theorien können auch sehr weit hergeholt erscheinen, und dies ist normal, denn sie widersprechen jahrhundertealten Dogmen und Errungenschaften. Es ist eine gesunde Verstandesübung, wenn man neuen Theorien mit Misstrauen und Skepsis begegnet. Aber genau das geschah mit der antiken Geschichte und Joseph Scaliger nicht.
    Die unwahrscheinlichen Begebenheiten in den Berichten der antiken Geschichtsschreiber, die unsere Figuren in Bouchards Aufzeichnungen lesen, müssten dazu auffordern, diesen Verfassern und ihren Quellen mit der allergrößten Vorsicht zu begegnen. Seit ihrer Entstehung in der Renaissance zieht die Philologie es jedoch vor, die antiken Geschichtsschreiber
a priori
als wahrheitsgetreu anzusehen, als grundsätzlich glaubwürdig, solange keine hieb- und stichfest begründeten Zweifel vorliegen. Die überaus große Zahl an offensichtlichen Erfindungen, die diese Autoren verbreiten und von denen wir in unserem Buch nur einen winzigen Bruchteil gezeigt haben, reicht jedoch aus, um eine gegenteilige Taktik nahezulegen: die antiken Geschichtsschreiber bis zum Beweis des Gegenteils immer als unglaubwürdig zu betrachten.
    Bei näherem Hinsehen sind es vor allem die Schulen und Universitäten, also die kulturellen Bildungseinrichtungen aller modernen Gesellschaften, denen aus dieser ungesunden Haltung Schaden erwuchs. Seit Jahrhunderten werden griechische und lateinische Klassiker, in erster Linie die antiken Historiker, ohne jegliches Gegenmittel rezipiert, und den Studierenden wird die mühsame Aufgabe überlassen, reale Geschichte von Märchen zu trennen.
    |789| Dem armen Studenten, der nachmittags in den Straßen die Denkmäler der morgens in der Schule gepaukten Literaten sieht, würde nicht im Traum einfallen, dass es sich bei ihnen manchmal um reine Phantasiegebilde handelt. Und doch ist es so. Die Namen der Autoren aus den Aufzeichnungen Bouchards, die in Lehrbüchern und wissenschaftlichen Texten stehen, aber niemals existiert haben, sind selbstverständlich nicht unsere Erfindung. Wie Otto Kresten in seinen umfangreichen Arbeiten gezeigt hat (vgl. Bibliographie), sind die Fälle von

Weitere Kostenlose Bücher