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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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antreiben wollte, schnitt er einem von ihnen den Arm ab und schwenkte den blutenden Stumpf durch die Luft, um den Rhythmus vorzugeben: eins, zwei, eins, zwei … Hahaha! Und du, Buchhändler, wie steht es mit dir?«
    »Dieses Boot scheint aus Blei zu sein«, war Hardouins Antwort.
    »Ihr kommt mir vor wie die Ruderer von Bostan Rais«, erwiderte der Barbareske. »Die beklagten sich auch immer: Warum ist dieses Schiff bloß so schwer? Dann ging jemand im Laderaum nachsehen und fand ihn bis oben hin gefüllt mit abgeschnittenen Nazarenerköpfen! Hahaha!«
    |149| »Du scheinst eine ganze Menge Geschichten über deine Korsarenkumpane zu kennen«, sagte Malagigi angeekelt und neugierig zugleich.
    »Klar doch. Das ist wichtig«, antwortete Kemal, der wieder ernst geworden war. »Sie dienen der Rudermannschaft zur Belehrung und Inspiration. Aber noch wichtiger ist das Vorbild. Und niemand ist ein besseres Vorbild als Ali Rais. Er ist ein Vorbild für alle. Das zeigt die Geschichte seines Lebens, die ist so außergewöhnlich, dass niemand es mit ihm aufnehmen kann. Und wenn ihr sie nicht wenigstens einmal vernehmt, wird euer Leben nicht vollständig sein, wie es sich gehört.«

NOTIZ
    Darin die gegenwärtige Lage hintangestellt und die außergewöhnliche Geschichte des Ali Rais, alias Ali Ferrarese, alias Francesco Guicciardo aus Ferrara, Sklave, Renegat und berühmter Korsar, erzählt wird.
    Vor gut zweiundzwanzig Jahren, im Sommer 1624, hatte der Marquis von Santa Cruz, der spanische Vizekönig, der über Süditalien regierte, im Meer von Sizilien einen großen Sieg gegen die Barbaresken errungen. Nach einer erbitterten Seeschlacht hatte er drei große Galeonen der Korsaren voller Männer und Waffen erbeutet. Schiffe und Mannschaften waren unter schärfste Bewachung gestellt worden, denn sofort hatte sich das Gerücht verbreitet, Anführer der kleinen Flotte, die aus Bizerta, dem Hafen des Barbareskenreichs Tunis kam, sei der berühmte Ali Ferrarese, der blutrünstige, gefürchtete Korsar. Dieser Name rief im ganzen sizilianischen Volk Erinnerungen an tragische Ereignisse wach. In die Tausende ging die Zahl derer, die auf dem Meer von Barbaresken überfallen wurden und erzählen konnten, dass sie von Ali gefoltert, verschleppt und schließlich als Sklaven verkauft worden waren.
    Sofort eilt eine große Menge Neugieriger, allen voran die ehemaligen Opfer von Ali, zum Hafen von Palermo. Wer ihm einmal in die Hände fiel, trägt noch immer tiefe Wunden aus den Jahren der Gefangenschaft in Tunis oder Bizerta, in den Weiten der Wüste oder an den Rudern der Korsarenschiffe. Die sich jetzt am Hafen versammeln, |150| sind dank eines Lösegelds oder einer wundersamen Flucht in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie haben Ali kennengelernt, als er Mannschaftsführer auf dem Flaggschiff der Flotte von Bizerta war, sie dagegen an die Ruderbänke gekettet. Es sind alte Matrosen, Bauern, kleine Leute aus der Provinz, alle mittlerweile hochbetagt. Sie laufen zum Hafen, lassen sich die vom Vizekönig erbeuteten Schiffe zeigen und stellen fest: kein Zweifel, das ist er, er ist der Mann in Ketten auf der Ruderbank. Wie könnte man sein verfluchtes Gesicht vergessen? Er ist der Mann, der sie vor Jahren beschimpft, ausgepeitscht, blutig geschlagen, mit Füßen ins Gesicht getreten hat. Er ist der Italiener, der Italiener abschlachtet. Er hat die stillschweigende Regel gebrochen, dass Abtrünnige ihre einstigen Landsleute verschonen. Ali Ferrarese aber tat das Gegenteil: Italiener behandelte er besonders grausam. Er nannte sie Hunde, Bestien, Tiere und genoss ihre Verwirrung, wenn sie die italienische Inschrift auf den Fahnen seiner Schiffe lasen:
Die christliche Religion ist falsch
, blasphemische Worte, am Hauptmast gehisst, um Empörung hervorzurufen, zu beleidigen und einzuschüchtern. Mit dieser lästerlichen Fahne kreuzte Ali über das Mittelmeer und demonstrierte so seine Treue zur Sekte Mohammeds, die ihm so viel eingebracht hatte: als Kind eines armen Fährmanns geboren, war er jetzt gefürchtet, reich und wichtiger Ratgeber des Regenten von Tunis.
    Doch in Palermo hatte das Schicksal ihn in einen fatalen Hinterhalt gelockt, der große Korsar lag in Ketten vor seinen Opfern. Ali, erkennst du uns? fragen sie ihn höhnisch. Sie rufen ihn, wollen ihm die Beschimpfungen, das Anspucken, die Tritte in die Rippen zurückgeben. Doch der Gefangene dreht sich nicht einmal zu ihnen um. Er lässt einen Mauren an seiner Stelle reden: Das ist nicht Ali,

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